Tagebuch – die Einsamkeit

Nun war endlich eine tragfähige stabile Lösung gefunden, die zur Vorbeugung gegen religiöse Destruktivität geeignet war.  Und nicht nur das. Diese Lösung gab auch Gläubigen, die schon seit Jahre in religiös bedingter Verzweiflung festgefahren waren und keine Ausweg sahen, endlich wirksame Argumente an die Hand, um sich vom „tötenden Buchstaben“ (2.Kor 3,16) innerlich zu distanzieren und zugleich am Glauben festzuhalten..

Doch wo immer ich in der Evangelischen Allianz diesen Ausweg vorstellte, entstand in den frommen Gruppen Panik, Abwehr, ja teilweise auch sehr starke Aggression. Auch wenn einzelne Gläubige zugaben, dass die Argumente die ich vorbrachte, viel besser waren als die bisher üblichen, waren sie nicht bereit, ihre Bibellehre zu korrigieren. Zu groß war die Angst, dass schlichte Gemüter aus Protest die Gemeinde verlassen könnten, was einen Verlust an Einfluss und Spendenaufkommen zur Folge gehabt hätte.  In der Regel genügte es, Desinteresse zu signalisieren:  „Das passt nicht zu uns!“ oder „Das können wir nicht machen, sonst laufen uns die Leute weg“. Auch wenn Leute Ohren haben, ist damit nicht garantiert, dass sie zuhören können.

Was hatte Jesus einst gesagt, als die Jünger seine Worte nicht ertrugen? „Wollt ihr nicht auch weggehen?“ (Joh 6,67)

Größer kann der Unterschied zwischen Jesus und seinen Bodentruppen kaum sein.

Was mich wirklich erschütterte:  dass die Aussicht, Menschen aus ihrer Verzweiflung an der Bibel retten zu können, überhaupt keine Rolle spielte. Die emotionalen Bedürfnisse der oberflächlich denkenden Mehrheit haben selbstverständlich Vorrang, die für ihr Wohlbefinden einen Glauben benötigen, der ohne Manipulation und Lüge sehr schnell instabil wird. Die sorgfältig denkenden, sensiblen Geschwister können dagegen ruhig in der Psychiatrie und in der Hölle ihrer Ängste gefangen bleiben.

Wie verträgt sich das mit der Lehre des Apostels, dass alle Christen „Glieder eines Leibes“ seien (1.Kor 12) und das Leid eines Mitgliedes ansehen sollten als wäre es das eigene? Wird hier nicht der weltliche durch eine religiösen Egoismus ersetzt? Soll das die Wirkungsweise des „neuen Herzens“ sein? Sieht so „die Gemeinschaft der Heiligen“ aus? Das ist doch grotesk!

Wodurch unterscheidet sich dieser Glaube, der Angst vor ehrlichen Fragen hat, noch vom Selbstbetrug?

So hat der religiöse Betrieb eine starke propagandistische Prägung bekommen. Die frommen Meinungsmacher haben ihre Gemeinden und Blogs gut im Griff. Ihre faule Ausrede ist, die Gemeinden vor liberaler Bibelkritik schützen zu müssen. Zweifellos ist liberale Bibelkritik destruktiv. Aber berechtigt das wirklich Gläubige, mit ebenso fleischlichen und unredlichen Mitteln dagegen vorzugehen? Das beschädigt den Glauben nicht weniger.

Hilft es wirklich, wenn  man die Gläubigen zu einer fleischlichen Version von Glaubensgewissheit verführt, einer „Gewissheit“, die durch Abschottung, Bevormundung und Denkverbote gestützt werden muss?

Ohne ehrliches Prüfen kann man auf Anfragen nur mit Phrasen reagieren. Phrasen, Phrasen, Phrasen. Darunter leidet die Qualität der Seelsorge erheblich.

Seit mehr als einem Jahrzehnt habe ich mich mit bibeltreuen Gemeindelehrern und Theologen auseinandergesetzt. Auch wenn die Lüge offensichtlich ist – sie haben immer recht. Nie kommt ihnen der geringste Zweifel an sich selbst. Dieses Ergebnis ist trostlos.

 

Artikel aktualisiert am 23.09.2021

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