Rabenschwarze Aussichten ?

Kommen fast alle Menschen in die Hölle ?

Wenn man lehrt, dass die Warnung vor der Hölle den Ernst der Entscheidung für ein Leben oder gegen ein Leben mit Gott verdeutlichen soll. dann erhebt sich unausweichlich die Frage, was mit den Milliarden Menschen geschieht, die von der Heilsbotschaft nur eine falsche, unklare, oder gar keine Vorstellung bekommen konnten. Was ist mit den Menschen, die sich wirklich um Gottesfurcht und Liebe bemüht und sie so gut wie sie es nach ihrem gegenwärtigen Kenntnisstand verstanden praktiziert haben?

Diese Frage wurde einst Francis Schaeffer gestellt, dem Gründer von „L’abri“, eine Organisation, die Studenten mit der Inkonseqenz und Sinnlosigkeit des Atheismus konfrontiert.

Francis Schaeffer gab keine Antwort. Offensichtlich hatte er sich zu dieser Frage schon sehr viele Gedanken gemacht. Er war ein hochgelehrter Mann. Doch er wusste nichts, was er antworten konnte. Schließlich weinte er.

Sind sie alle tatsächlich verloren, werden sie alle ewig, ohne Aufhören gequält, weil sie nicht durch ein christliches Bekehrungsritual gegangen sind?

All die vielen Menschen, deren Gedanken in der Hauptsache auf die Frage des täglichen Überlebens gerichtet sind, für die schweres Leid und Traurigkeit und vergebliches Gebet tägliche Erfahrung ist, die von dem wenigen, was sie haben, auch noch den leicht erzürnbaren Göttern opfern, um wenigstens eine Weile von weiterem Unheil verschont  zu bleiben…?

Das ist die eine Seite der Medaille: wir verstehen, dass wir eine entschiedene Abwendung vom Bösen brauchen, damit wir uns nicht immer tiefer darin verstricken.

Doch die Erkenntnis der Destruktivität des Bösen liefert uns nicht sehr viel Widerstandskraft gegen die Gewohnheiten und Gebundenheiten unseres Lebens. Viel mehr Widerstandskraft gewinnen wir aus der Erkenntnis des Guten, aus dem Vorbild von Menschen, deren Lebensweise uns überzeugt und den Wunsch weckt, an der Kraft, die sie erfüllt und anderen zum Segen werden lässt, teilzuhaben.

Jesus fühlte Erbarmen, als er die Volksmenge sah,denn sie waren erschöpft und hilflos wie Schafe, die keinen Hirten haben.“ (Mt 9,36)

Das ist das Bild, das wir von Jesus haben und alle Gläubigen wünschen sich, dass dieses Bild nicht beschmutzt oder getrübt wird. „Jesus bleibt derselbe – heute, morgen und in Ewigkeit“ (Hebr 13,8)

Bei den Zeitgenossen Jesu, die ihm von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden, hatte der Wunsch, Jesus zu begleiten und am göttlichen Segen teilzuhaben, die größte Chance. Auch da gibt es aber Menschen, die sich dafür entschieden haben, diesen Segen völlig und endgültig aus ihrem Leben auszuschließen. Jesus und später die Apostel haben vielfach bestätigt, dass Gott diese Entscheidung respektiert – auch wenn die Menschen nicht übersehen können, dass sie ihre Entscheidung später bitter bereuen werden.

Hinter der Tatsache, dass die Warnungen in so scharfer Form ausgesprochen sind, mag der Wunsch stehen, dass Menschen die Konsequenzen der bewussten Gottlosigkeit eben nicht übersehen.

Sehr schwierig wird es nun, wenn man der Bibel den Eindruck entnimmt, dass die Mehrheit der Menschen von vornherein für die ewige Gottesferne bestimmt ist.

Man stelle sich eine Abiturklasse vor, denen der Lehrer mitteilen muss, dass nur 5% der Klasse das Abitur bestehen wird – aufgrund eines Beschlusses des Ministeriums. Jedem ist klar, dass mit dieser Maßnahme das Prinzip der persönlichen Verantwortung und der Fairness für null und nichtig erklärt wird.

Vielleicht sind die Unterschiede in der Tüchtigkeit nur minimal. Auch wenn – abgesehen von ein paar Faulpelzen – die ganze Klasse sich mit äußerstem Fleiß vorbereitet hat – so entscheidet am Ende der Vorsprung von einem halben Punkt noch darüber, ob jemand trotz allem Fleiß vor dem Nichts steht oder nicht.

Von vornherein nur „wenige“ zu erwählen, das käme dieser ungerechten Anordnung verdächtig nahe.

Ist es die Absicht der Bibel, diesen Eindruck zu vermitteln, dass Jesus die „Souveränität“ hat, all die Eigenschaften am Ende der Zeiten wieder als überflüssig zu erklären, die seine Jünger so beeindruckt haben, dass sie ihm folgen wollten ?

Können wir in dieser „Souveränität“ etwas Positives erblicken? Auch das Schulamt in unserem Beispiel handelt zweifellos „souverän“. Es übt „Macht“ aus – gegen die ohnmächtigen Proteste der Verzweifelten. Doch etwas, was die Herzen gewinnt und überzeugt, gibt es hier nicht mehr.

So plagen sich nicht wenige Gläubige mit der Frage herum: Ist es wirklich so, dass am Ende der Weltgeschichte das Reich des Friedens nur durch unfaire, unverständliche und grenzenlose Grausamkeit gegenüber allen, die nicht durch das christliche Bekehrungsritual gegangen sind, geschaffen werden kann? Wäre es nicht eine Herabwürdigung der Eigenschaften Jesu? Was triumphiert denn da wirklich: tatsächlich Liebe oder exzessivste Erbarmungslosigkeit?

Ein schrecklicher, keineswegs harmloser Zweifel, der sich langsam durch die Seele fressen kann.

Leider ist die Theologie ist durch eine auf den Buchstaben fixierte Tradition vorbelastet. Über Jahrhunderte hat man warnende Bibelstellen ungeniert benutzt, um Menschen einzuschüchtern und seine Macht zu festigen. 

Wie soll man da noch auf die leisen Stimmen in der Bibel achten, die dieser deprimierenden Ansicht entgegenstehen?

Wir müssen uns darüber klar werden, dass durch eine „Höllenquote“ auch für die entschiedensten Gläubigen wenig gewonnen ist, weil sie sich äußerst negativ auf das Gottesbild, auf den Charakter, auf die sozialen Beziehungen und auf die seelische Gesundheit auswirkt. (Psychologie der Hölle) Wer achtet schon auf das Warnsignal, dass bemühte Christen auf dieser Grundlage an der Liebe Jesu zu zweifeln beginnen, ja manche nicht mehr als eine ständig schwankende Hassliebe zum Glauben entwickeln, dass ihre Glaubensfreude immer schwächer wird, weil das Thema Heilsgewissheit in ihrer Seele eine Wunde bleibt, die nie richtig zuheilen kann. Die Motivation, Jesus für seine Liebe zu bewundern und ihm nachzufolgen blutet aus.

Dessen sollten wir die richtigen Fragen an die Bibel stellen, auch wenn sie in der üblichen Theologie nicht üblich sind. Wir müssen allen Informationen angemessenes Gewicht geben, die uns eine sichere Distanz zur „Psychologie der Hölle“ verschaffen. Der Ernst einer Entscheidung gegen Gott wird dadurch nicht relativiert.

Welches Gewicht hat für uns die Aussage der Bibel, dass Menschen ohne Glaubensbekenntnis in den Himmel eingelassen werden, weil sie mit ihrem Nächsten liebevoll umgegangen sind (Mt 25,34 ff)? Welches Gewicht hat für uns die Verheißung, dass später einmal „das ganze Israel errettet“ werden wird? (Rö 11,26) An den Anfang seiner so strengen Bergpredigt hat Jesus herrlichste Gnadenworte von größter Leuchtkraft  gestellt: „Glücklich sind die zu nennen, die traurig sind, denn sie sollen getröstet werden. Glücklich zu nennen sind Menschen, die nach der Gerechtigkeit hungern und dürsten, denn sie sollen satt werden.“ (Mt 5,4) Diesem Vers könnte man entnehmen, dass nicht eine Minderheit, sondern sehr viele Menschen Gottes Heil erfahren werden. Denn traurig sind die meisten Menschen dieser Welt, die sich in diesem Leben vergeblich nach Liebe und Gerechtigkeit sehnen und den Wunsch haben, dass ein Gott im Himmel gnädig an sie denkt.

Wir dürfen uns jetzt schon darauf verlassen, dass die Tatsache eines Aufbewahrungsortes für das unverbesserlich Böse („Hölle“) im Lichte der Charaktereigenschaften Jesu und seiner Qualitätsmaßstäbe zu sehen ist. Was immer wir über den Ausgang der Heilsgeschichte gelernt haben, es steht fest, dass er sowohl mit Barmherzigkeit als auch mit Fairness und Menschlichkeit harmonieren muss.  Es ist unmöglich, dass Qualitätsstandards wie Barmherzigkeit und Gerechtigkeit mit höchster Priorität festgelegt werden, dass sie zur Kritik der bisherigen Gesetzesfrömmigkeit dienen, damit sie am Ende der Heilsgeschichte wieder zweitrangig werden. (Details siehe im Artikel „Hölle„) Den Jüngern war das völlig klar. Infolgedessen findet man in den Evangelien kaum Fragen der Jünger zur Hölle, wie sie für die heutige Zeit typisch sind. Uns ist das nicht ohne weiteres klar. Wir müssen deshalb daran arbeiten,  auch beim Thema Hölle einen klaren Bezug zur Priorität biblischer Qualitätsstandards herzustellen.

 

Artikel aktualisiert am 29.03.2022

3 thoughts on “Rabenschwarze Aussichten ?”

  1. Auch ich habe diese Ängste entwickelt. Es ist eine furchtbare Angst, die das Gottesbild so weit verzerrt, sogar zerstört. Diese Angst ist die schlimmste, die ich je hatte. Man hört das immer und immer wieder und stellt es sich sogar bildlich vor, wie man in der Hölle gequält wird und von Jesus verlassen wird.
    Oder das ist mir auch schon passiert: ich bin glücklich, danke Gott und im nächsten Moment kommen Zweifel am Glauben. Jesus ist dann erbarmungsloser Richter über mich, über einen seiner Gläubigen. Darauf folgt ein Gefühlswirrwarr und natürlich Depressionen, die ich ohnehin schon habe.

  2. Ich bin schon in ihr, in der Hölle. Der Hölle auf Erden. Gepeinigt von schrecklicher Angst und Depression wache ich jeden morgen um halb 5 auf und der Alptraum beginnt. Euer Artikel zum Thema Hölle ließ mich aus ganzem Herzen weinen, weil ich das erste Mal das Gefühl hatte, dass mein Innerstes verstanden wurde. Ich bin noch nicht über den Berg, liege die meiste Zeit kraftlos herum und kann mich kaum mehr um meine Kinder kümmern, geschweige denn am Leben teilnehmen. Meine Seele scheint irreparabel geschädigt. Und doch wurde durch eure Worte ein Hoffnungsschimmer entzündet, der sich hoffentlich zu ausgewachsener Hoffnung entwickelt.

    Ich danke euch von Herzen dafür!!

    1. Liebe Schwester N.
      dein Bericht hat uns sehr berührt und ermutigt. Wenn doch mehr Leser den Mut hätten, so offen zu sprechen. Diese Gefahren werden ja so häufig bagatellisiert. Deine Schilderung erinnert mich an das jahrelange Leid und die Verzweiflung, in der ich einst gefangen war. Auch ich hatte dank religiöser Indoktrinierung jede Hoffnung für mich verloren. Und trotzdem habe ich heute wieder Freude an der Gemeinschaft mit Gott und am Glauben. Buchstabenhörige Theologie kann wirklich ein höllisches Gefängnis sein, in das man Menschen lebenslang einsperrt. Es ist gut, wenn Menschen ihre Stimme erheben und laut und eindringlich vor ihr warnen. Auch ich darf dir Mut machen: Gott wartet auf dein und mein Vertrauen. Er will aus dem Bösesten, das wir erfahren haben, etwas Gutes machen. Je schlimmer das Böse war, desto größer der Dank und die Freude, wenn es überwunden ist. Jesus wurde vom Vater in die Welt gesandt, nicht um zu richten, sondern um aufzurichten und zu heilen (Joh 3,17). Das ist das Evangelium! Wir wünschen dir deshalb den Beistand unseres ewig liebenden Gottes und baldige Gesundung. Mit freundlichem Segenswunsch Dein Bruder Benignus

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