Mosaisches Verstümmelungsgebot

Das Gesetz des Mose forderte die Gläubigen auf, einer Frau, die ihren Mann in unziemlicher Weise verteidigt und den Angreifer bei den Geschlechtsteilen packt, „ohne Mitleid“ die Hand abzuhacken  (5.Mo 25,12)

Das ist weitaus schlimmer als der als Aufforderung missverstandene Satz des Paulus, dass bei einer Frau, die ihren Kopf beim Beten nicht verhüllt, das Abschneiden der Haare angemessen sei. (1.Kor 11,6) Gerade bei Juden (und Moslems) gilt das Abschneiden der Haare als besonders entehrend. (Vgl. 2.Sam 10,4-5).

Wie können wir Problemstellen dieser Art richtig einordnen, ohne die Autorität der Heiligen Schrift in Frage zu stellen und ohne den Glauben an einen Gott, dessen Wesen ganz und gar Liebe ist, aufzuweichen?

Gebote erlauben einen Rückschluss auf den Charakter des Gebotsgebers, der eben ein bestimmtes Verhalten vorschreibt, weil er es als besonders wertvoll oder richtig hervorheben möchte.

Auch der gutwilligste Gläubige wird das Verstümmelungsgebot nicht für „wertvoll“ halten können. Er wird es instinktiv als überflüssige Grausamkeit ignorieren und so tun, als ob gar nichts geboten wäre. Die Christen aller Konfessionen reagieren so und machen sich nicht das geringste Gewissen darüber. Ist das falsch?

Wozu soll diese Strenge gut sein ? Um Männer vor grabschenden Frauen zu schützen ? Wo doch jedermann völlig klar ist, dass es in fast allen Fällen Männer sind, die ungeniert nach Frauen grapschen, und noch nicht einmal zum Zweck der Selbstverteidigung, sondern einfach, weil es ihnen Spaß macht. Das ganze Alte Testament ist voll von Männern, die sich an Frauen mit ihrer Begehrlichkeit versündigen.

Um die Zeugungsfähigkeit des Mannes zu schützen? Wie wahrscheinlich ist das? Warum wird dann nicht abgewartet, um festzustellen, ob die Zeugungsfähigkeit tatsächlich zerstört wurde? Sogar für den schweren Fall, dass ein Sklave durch Schläge seines Herrn zu Tode gekommen ist, sieht das Gesetz einen minder schweren Fall vor (4.Mo 21,21) Ist die Zeugungsfähigkeit weniger gefährdet, wenn ein Mann dem anderen kraftvoll in die Hoden tritt ? Warum sieht das Gesetz für diesen Fall, der wesentlich häufiger eintreten wird, überhaupt nichts vor?

Will man von dem Verstümmelungsgebot auf den Charakter des Gebotsgebers schließen, so wird man gezwungen sein, festzustellen: der Gebotsgeber erscheint grenzenlos unfair in der Behandlung der Geschlechter, er erscheint extrem frauenfeindlich, sein Bemühen um sexuelle Reinheit erscheint unehrlich, weil er „Mücken seiht und Kamele verschluckt“ (Mt 23,24), und er erscheint grenzenlos grausam. Falls die arme Frau nicht an der schweren Verwundung stirbt, wird sie den Rest ihres Lebens als trostloser Krüppel zubringen.

Das jedenfalls wäre das Urteil ALLER Christen, wenn …
…wenn das Gebot im Koran stünde und von Korangläubigen angewendet werden würde.

Kein Gläubiger wird bezweifeln, dass Jesus diese Gebote nie anwenden würde und dass er auch niemals andere Gläubige auffordern wird, so zu handeln.

Sehr viele Gläubige kennen solche Stellen nicht bzw. vergessen sie sofort wieder, wenn sie davon hören. Andere Gläubige kennen diese Stellen, aber ignorieren sie. Dann gibt es Gläubige, die diese Stellen nicht verdrängen können, sodass ihr Gottesbild dadurch beeinflusst und geprägt wird. Trotz aller Gutwilligkeit können sie einem Gott, der bösartige und gute Eigenschaften in sich vereinigt, dessen Charakter zweideutig bleibt, nicht mehr vertrauen – ihr Gottvertrauen schmilzt dahin wie Schnee an der Sonne.

Leider reagieren manche Theologen unehrlich und ziemlich gewissenlos auf diese seelische Not: sie argumentieren, dass Gläubige, die nicht in der Lage sind, zu verdrängen, „selber schuld sind“, wenn sie verzweifeln.

Dieser Ansicht ist entgegenzuhalten, dass Verdrängen-Können keine geistliche Eigenschaft ist, die der Gläubige besitzen muss. Im Gegenteil: Jesus fordert dazu auf, sich jedem Bibelwort zu stellen: „Der Mensch lebt von JEDEM Wort, das aus dem Munde Gottes kommt.“ (Mt 4,4)

Wenn Bibellehrer dem Kanon – so wie er ist – bescheinigen, dass „alles darin Gottes Wort ist“, müssen sie auch destruktiven Aussagen wie dem Verstümmelungsverbot einen lebensfördernden Sinn zuordnen können.

Kommt dieser Sinn zustande, indem man dem Verstümmelungsgebot das Etikett „fehlerlos“ oder „qualitativ hochwertig“ umhängt ? Sicher nicht ! Die praktische Reaktion auf dieses Gebot lässt eine andere Einschätzung erkennen: überflüssig, bedenkenlos ignorierbar, eher peinlich.

Ein ehrlicher Denkansatz sollte von der beobachteten Reaktion ausgehen: unzweifelhaft kann und darf das Verstümmelungsgebot ignoriert werden. Jesus hätte es auch ignoriert. Es hat den Rang „Null“. Eindeutig! Diese Tatsache soll der Gläubige offensichtlich erkennen und respektieren. (No-comment“ – Stil.)

Er ist damit aufgerufen, sich um eine widerspruchsfreie überzeugend begründete Rangordnung biblischer Aussagen zu bemühen. Dies wäre ein nachvollziehbarer, positiver und glaubwürdiger Zweck solcher Aussagen. Auf dieser Erkenntnis aufbauend kann man dann ein Modell des Schriftverständnisses erarbeiten, das die Autorität der Schrift wahrt und Distanz zum materialistischen Fahrwasser hält.

Oder soll man tatsächlich glauben, der „lebensfördernde Zweck“ bestünde darin, etwas wider besseres Wissen zu verkündigen und zu verteidigen ? Manche meinen das tatsächlich ! Und das erklärt vielleicht, warum Ehrlichkeit und Fairness für sie nur noch ein untergeordneter Wert ist, sodass sie immer weniger Scheu davon haben, ihre Mitchristen mit miesen Tricks zu manipulieren.

Wie soll der, der das Zerrbild eines zweideutigen Gottes verehrt, seinen Charakter von dieser Zweideutigkeit und Widersprüchlichkeit reinhalten können ? Wird nicht auch er allmählich zum Zerrbild werden ? Ist der Knecht etwa größer als sein Meister ?

Jesus jedenfalls war nicht zweideutig, scheinheilig, unehrlich und frauenfeindlich. Das steht fest.

Artikel aktualisiert am 11.01.2022

4 thoughts on “Mosaisches Verstümmelungsgebot”

  1. Zum Text: „Wenn zwei Männer miteinander streiten und die Frau des einen läuft hinzu, um ihren Mann von der Hand dessen, der ihn schlägt, zu erretten, und streckt seine Hand aus und ergreift ihn bei seiner Scham, so sollst du ihr die Hand abhauen, du sollst sie nicht verschonen.“
    Eine Frau soll zu ihrem Schutz nicht in eine derartige Auseinandersetzung eingreifen. Sie kann Hilfe holen oder mit anderen Mitteln (Wasserguss, Knüppel) eingreifen. Es geht um einen hohen moralischen Standard, den Gott für sein Volk festgelegt hat. Hält sie sich nicht daran, weiß sie um die Konsequenzen und kann dies vorher berücksichtigen. Die Androhung der Folgen ist so drastisch, dass es unwahrscheinlich ist, dass solches vorkam. Außerdem macht dieses Gebot sinnvoll, damit sich Männer nicht im Beisein ihrer Frauen streiten oder gar prügeln.

  2. Hallo ihr guten Schreiber.
    Ich heisse Andrea, bin 42 Jahre alt und habe seit 16 Jahren eine Glaubensbeziehung mit Gott und Jesus.
    Da ihr euch der seelischen Nöte und Probleme der Christenwelt annehmt, was ich sehr schön, gut und heilsam finde, möchte ich euch bitten, mir ein paar Gedanken zu meiner Not zu schreiben.

    Ich leide wie ein Hund mit allem Schrecken und aller Leidenschaft an dem Wissen bzw. Lesen von der Tatsache der Verdammnis. Das ist kein neues Problem und hat sicher schon unzählige Menschen umgetrieben. Ich leide darunter, dass Jesus der einzige Weg zum Leben ist. Es ist ja wundervoll, dass es ihn gibt und was er getan hat, sein ganzes Kommen. Doch vieles, was ich in der Bibel lese, entfacht tiefe Konflikte, nie gekannte Ängste und Umtreibungen in mir. Ihr habt es gut bezeichnet… eine Art Glaubensschizophrenie. Mit der Hölle wurde schon soooo viel Horrorleid angerichtet, man denke an die kathol. Kirche usw. …

    Was in mir wütet, ist folgendes: Gott möchte, dass wir alle an ihn glauben, an den Gott, den einen, der – so glaube ich – auch der reale, wahre ist. Jesus ist der einzige Weg zu ihm… er hat uns den Weg frei gemacht und der Auftrag lautet: Macht zu Jüngern alle Welt… wer nicht an den Namen Jesu glaubt, hat schon seinen Richter… also, wer nicht glaubt, ist verloren… wer Jesus hat, hat das Leben… wer ihn nicht hat, hat das Leben nicht.
    Der heutige Mensch fühlt sich – zumindest bei uns – in seinem ganz natürlich angelegten Denken als frei… frei, sein Leben selbst zu gestalten und frei, zu glauben… Er möchte nicht missioniert, bedrängt werden und nicht gezwungen und genau davor habe ich eigentlich Respekt. Ich selbst bin eine „Suchende“gewesen …es war schon eine Anlage da, die es mir leicht machte, zu glauben. Ich suchte auch Halt, Sinn, Wahrheit, Antworten. Ich kenne aber Menschen, die brauchen keinen Glauben. Ich kenne Menschen, die meistern ihr Leben im Guten… sie haben keinen Sinn für den Glauben… sie brauchen es nicht – im Gegenteil, sie sehen Probleme darin.

    Freiheit im Sinne von Glaubensfreiheit oder Glaubensenthaltsamkeit als Freiheit gibt es aber laut Bibel nicht… Gott und Jesus, Punkt. Das ist ein Problem für mich. Was wird mit all den herrlichen Menschen, die so viel Gutes getan haben, die sich an Liebe und Rechtschaffenheit orientiert haben, die Jesus nicht ablehnen, weil sie Probleme hatten wegen Angstmacherei oder was auch immer, sondern die den Glauben einfach nicht brauchen, keinen Draht dazu haben? Werden die nicht angenommen? Wird Jesus dann sagen: Du warst ein gut gesinnter Mensch, aber weil du nicht an mich geglaubt hast, musst du nun in die Hölle. Mein Problem ist, dass Ich das sooo ungerecht fände und brutal, wenn gute ungläubige Menschen weggeworfen würden…. Wem gelten die Seligpreisungen?…nur den Gläubigen oder den Menschen allgemein?

    Gott sagt, wenn sich jemand bekehrt und ein Gerechter wird, nicht perfekt und nicht vollkommen, aber im Bemühen um das Gute, dann vergisst er die frühere Missetat. Diese Menschen gibt es doch auch – ohne Glauben… es gibt gute, friedliche Menschen. Sie möchten und brauchen keinen Glauben. Wenn Gott barmherzig, gerecht und liebend ist… wenn er ins Herz sieht, dass diese Menschen eine gute Wurzel haben in ihrer Gesinnung, dass sie ein vernünftiges Leben geführt haben, kann man sie doch nicht ins Feuer geben, weil sie nicht glauben wollten?

    Meine Freundin hat null Bezug zum Glauben, doch einen in meinen Augen sehr guten Charakter. Ich käme mir vor wie ein respektloser Vertreter, müsste ich sie bekehren. Ihr Leben ist gut, ihr Gewissen ist gut, ihre Eigenschaften gut, doch zu Religion null Draht und null Bedarf. Ich fände es eine schreiende Ungerechtigkeit, wenn sie in eine ewige oder lange Strafe gehen müsste. Sie sieht bei mir, dass ich jede Menge Angst, Ernst, Druck, Nachdenklichkeit, streckenweise Fanatismus (den ich erstmal entlarven musste) aufgebaut habe… das hat doch mit dem Teufel zu tun. Wenn ich ihr sagen würde, dass ich gelesen habe, dass er der Fürst dieser Welt ist, würde sie sagen, dass ich aufhören soll, um ihre Seele zu schützen. Will man Menschen verübeln, nicht zu glauben, wenn sie von Natur aus gar keinen Draht dazu haben? Sie haben vielleicht auch gar nichts gegen Jesus, aber sie brauchen ihn eben nicht. Ist doch jedem das seine, ob und was er glaubt, so unsere Prägung.

    Ich wünsche mir einen Gott, der im Gericht sagt: Du bist mir sooo wertvoll, auch wenn du nicht geglaubt hast oder gezweifelt hast oder was auch immer, hier siehst du mich wahrhaftig, ich bin real: Möchtest du mit mir kommen?“
    Ich kann mitgehen, dass vom Bösen durchdrungene Menschen wie Hitler usw. in eine harte Strafe kommen, doch für immer – das ist der allertiefste Horror, den ich mir denken kann… leben und leiden in unsäglichen Qualen für immer… darüber könnte ich immer wieder zusammenbrechen. Wie soll man in einem Paradies unbeschwert glücklich sein, wenn man weiß, dass das eigene Kind, Mutter, Vater, Freund … dass man hier im Leben lieben sollte, nun in ewiger Pein zubringt?

    Ich selbst habe so dermaßen monströse Ängste entwickelt mein eigenes Schicksal betreffend (werde ich es schaffen?) Jeder böse Gedanke erzeugte erneut diese Frage, dass Gott mir ein Zeichen geben müsste, damit ich Gewissheit bekomme und der Horror aufhört. Ich frage mich, ob man in dieser Pein eine Läuterung erfährt, so dass man irgendwann doch wieder eine Chance bekommt, zu leben. Ich bin ein Angsttyp, unter anderem, ne ziemlich bunte Mischung. Seit ich Bibel lese, wirft es mich jedenfalls hin und her zwischen Vertrauen und Angst… Furcht und Zittern aber auch Liebe und Vertrauen. Ich liebe Gott und Jesus auch und habe ein tiefes Band zu ihnen, doch es ist immer wieder ein Wechselbad.

    So, jetzt hab ich euch wildfremden Menschen mein Herz ausgeschüttet und hoffe, dass ihr mir ein paar gute Gedanken dazu schreiben könnt. Der Mensch allgemein und diese Welt sind ja so komplex und ich hoffe soooo sehr, dass der Himmel ein barmherziges Gericht hält. LG Andrea

    1. Liebe Andrea,
      danke, dass Du den Mut hast, uns so offen über die Not mit dem Thema „ewige Verdammnis“ zu schreiben. Ich freue mich sehr darüber. Dein Brief bringt die Situation wunderbar klar auf den Punkt. (Vgl. einmal mit https://www.matth2323.de/hoelle/#psycho„)

      Viele Christen fühlen und denken ganz ähnlich wie Du, aber leider …. werden sie es niemals zugeben. Man hat ihnen beigebracht, dass der Gläubige allem „freudig zustimmen muss“, was in der Bibel steht. Das muss er, weil er sonst Gott nicht vertraut und ungehorsam ist und dann selbst mit einem Bein in der Hölle steht. Man trifft sogar auf Christen, die mit strahlendem Gesicht erzählen, dass sie „nichts“ in der Bibel stört, überhaupt nichts, und da denkt mancher, er sei eben „selber schuld“, wenn er noch daran verzweifelt. Wenn er nicht strahlt, sondern Angst hat, so liegt es eben daran, dass er „noch nicht geistlich und heilig genug ist“, um damit voll und ganz zufrieden zu sein.

      Jesus ist aber gerade der Heiland all derer geworden, die noch nicht heilig genug sind. Also sollten eigentlich alle ehrlich sagen dürften, was ihnen auf der Seele drückt. Ich wäre froh, wenn einmal alle, die so fühlen, dieses Recht in Anspruch nähmen, so wie Du es tust, und sich nicht damit abfinden, ihr restliches Leben einen Rucksack voll heimlicher Angst herumzuschleppen.

      Wenn alle Mitchristen, die solche Ängste haben, die Möglichkeit nutzen würden, einmal offen darüber zu reden, dann würde eine bestimmte Art „bibelgläubiger“ Theologie sich vielleicht einmal diesem Problem ehrlich stellen. In vielen evangelikalen Gemeinden wird nämlich offiziell bestritten, dass Gläubige auf diese Weise kaputtgehen können. Hilfreich ist das nicht!

      Ich kann in der ganzen Bibel nicht finden, dass Jesus jemals entrüstet auf den Wunsch nach Ehrlichkeit reagiert hätte. Er freut sich darüber. Genauso wie über Barmherzigkeit und Gerechtigkeitsliebe, die er zu den wichtigsten Geboten erklärt hat. (Mt 23,23). Das Vertrauen zu Jesus beruht auf der Tatsache, dass er vertrauenswürdig ist, und seine Maßstäbe, die uns im Vertrauen auf Ihn bestärkt haben, ihre Gültigkeit behalten und nicht willkürlich aufgehoben werden. Wer eine liebevolle, von Vertrauen geprägte Beziehung aufbauen will, weiß eines ganz genau , dass Ehrlichkeit, Vertrauenswürdigkeit und liebenswerte Charaktereigenschaften der beste Garant für die Stabilität der Beziehung ist.

      Umgekehrt wird charakterlich wankelmütiges Verhalten, Inkonsenquenz und Willkür, vermeidbare Brutalität, kurz eine Art „Mr Jekyll and Dr Hyde“ – Existenz prinzipiell eine sehr wacklige Basis für eine liebevolle Beziehung sein. Überrascht das?

      Tatsache ist: es gibt einige erschreckende Aussagen in der Bibel. Da Gott durch die Bibel in einmaliger Weise zu Menschen spricht, da sie die Grundlage und Urkunde unseres Glaubens geworden ist, liegt die Befürchtung nahe, der Gläubige würde sich – wenn er sich von solchen Aussagen distanzieren möchte – in Gegensatz, ja in Feindschaft zu Gott begeben, quasi dieselbe Position einnehmen, die sich einst die Schlange im Paradies anmaßte, als sie fragte: „Sollte Gott gesagt haben ?“

      So könnte man denken, … wenn sich nicht die Bibel selbst gelegentlich kritisieren würde. Wisst ihr nicht, wessen Geistes Kinder ihr seid? sagte Jesus den Jüngern, als sie ähnlich wie Elia Feuer vom Himmel fallen lassen wollten. (Lk 9,55) Mose hat euch geboten – Ich aber sage euch… (Mt 5) Dem Heiligen Geist und den Aposteln „gefiel es“, das für ewige Zeiten gegebene Kultgesetz bis auf vier Ausnahmen kurzerhand aufzuheben. (Apg 15, 28-29) Warum haben sie damit das Richtige getan und nicht das Falsche, wie die Schlange im Paradies?

      Auch heute braucht der Gläubige offenbar diese Freiheit. Er hat die Möglichkeit, Bibelworte in das Licht der Maßstäbe Jesu zu stellen, ihren Rang zuverlässig festzustellen und sie ggf. nicht in der eigenen Autorität, aber in der Autorität dieser Maßstäbe zu kritisieren.

      Gewisse Theologen haben bereits mit diesem einfachen Gedanken größte Probleme, wenn sie sich von vornherein darauf festgelegt haben, dass jedes Bibelwort wie einstmals „das Gesetz der Perser und der Meder“ (Dan 6,8) im finalen endgültigen Lehrsatzstil geschrieben worden ist.

      Das eben ist die Frage. Wie leicht nachzuweisen, ist der finale Lehrsatzstil einer unter mehreren anderen Stilmitteln (https://matth2323.de/spezielle-stile-der-bibel/). Gerade über die Weissagung, d.h. über die mündliche Inspiration lesen wir, dass „zwei oder drei Brüder sprechen sollten, die anderen aber sollten das Gesagte beurteilen.“ (1.Kor 14,29) Dies zeigt uns, dass die Übertragung von Information aus der unsichtbaren in die sichtbare Welt in irgendeiner Weise schwierig war. Paulus redet von „unaussprechlichen Worten“ (2.Kor 12,4). Er sah reale Dinge, aber es schien ihm unmöglich, es so zu formulieren, dass es nicht missverstanden wurde. Deswegen sollte auf den Vortrag des Geschauten noch eine Beurteilung durch die Gemeinde folgen, um es in den Kontext der Maßstäbe Christi einzuordnen.

      Manches ist im „Erweiterungsstil“ geschrieben: „Andererseits wäre zu bedenken…“ Schrieb Paulus: „der Gläubige wird gerettet durch Glauben aus Gnade, nicht aufgrund von Werken, sodass sich niemand rühmen kann…“ (1.Eph 1 8-9) so sah Jakobus Gläubige vor sich, die darin die Erlaubnis zu hemmungslosem Egoismus sahen und ergänzte: „der Glaube ohne Werke ist tot.“ (Jak 2,26)

      Luther hat beides als endgültige Aussagen (finaler Lehrsatzstil) verstanden, was ihn zu dem voreiligen Schluss führte, dass sich beide Aussagen widersprachen und dass deshalb eine von beiden falsch sein musste. Luther folgerte, dass der Jakobusbrief zwar eine wertvolle Schrift sei, aber an die Autorität der apostolischen Schriften nicht heranreiche: „Den Brief des Jakobus, obwohl er von den Alten verworfen ist, lobe ich und halte ihn doch für gut, und zwar deshalb, weil er gar keine Menschenlehre aufstellt und Gottes Gesetz eifrig treibt. Aber, auf dass ich meine Meinung darüber begründe, jedoch ohne irgend jemands Nachteil: ich erachte ihn für keines Apostels Schrift. Und dies ist meine Ursache dafür: Aufs erste, dass er stracks wider Paulus und alle andere Schrift den Werken die Rechtfertigung zuschreibt und sagt, Abraham sei aus seinen Werken gerechtfertigt worden, da er seinen Sohn opferte, obwohl doch Paulus Röm. 4 entgegengesetzt lehret, dass Abraham ohne Werke, ehe er denn seinen Sohn opferte, gerechtfertigt worden sei, allein durch seinen Glauben, und das mir 1. Mose 15,6 beweist.

      Viele bibelgläubige Christen heute werden Luther und seiner rabiaten Methode nicht folgen können – sie fühlen sich durch die Herabstufung ganzer Bibelteile aufgrund einer möglichen Fehlerhaftigkeit stark verunsichert.

      Aber Widersprüche stehen lassen und schizophrene Glaubensinhalte im Denken dulden (wie es etliche „Theologen“ leichtfertig vom Gläubigen verlangen), ist auch keine Alternative. Schizophrenes Zeug wird immer den Eindruck von Unehrlichkeit, Unzuverlässigkeit, und auch mangelndem Interesse hinterlassen. Die Klärung der Frage, wie Gottes Charakter ist, ob verlässlich, durch und durch liebevoll oder zweideutig lässt dich nicht auf später verschieben. Die Liebe muss jetzt die Zeit nutzen, um zu wachsen und stark zu werden – sie hat vielleicht morgen keine Zeit mehr dazu. Gesunder Glaube, Glaubensfreude braucht hier und heute verlässliche Antworten in allen praktisch relevanten Fragen.

      Die Konflikte zwischen vielen Aussagen lassen sich recht gut entschärfen, wenn man die leicht zu widerlegende Annahme fallen lässt, dass alles in der Bibel im finalen, endgültigen Lehrsatz-Stil geschrieben sein muss. Solche globalen theologischen Aussagen wie „alles ist endgültiger Lehrsatz“ werden nicht etwa durch genaue Beobachtung der Befunde gewonnen – es ist genau umgekehrt. Sie werden aufgestellt als Gegengewicht zu einem Defizit an Sicherheitsgefühlen und führen dann zu einer sehr oberflächlichen und fragwürdigen Schriftbetrachtung. Man tappt damit in eine selbst aufgestellte Falle. Alle Beobachtungen, die der vermeintlichen Endgültigkeit widersprechen, werden als Angriff auf die emotionale Sicherheit gesehen und deshalb nicht zur Kenntnis genommen. Ein Eigentor! Partielle Blindheit ist nun einmal keine Erkenntnisquelle.

      Die Folge ist, dass Theologen sich mit diesem ideologischen Denkansatz einer ehrlichen Diskussion über die Fragen, die Dich, mich und andere schon lange Zeit gequält haben, nicht stellen können. Bestenfalls werden sie ihre Sichtweise noch einmal als das Non-Plus-Ultra skizzieren, um dann den Kontakt abzubrechen, sobald in der Diskussion die Dürftigkeit ihrer Argumente offensichtlich wird.

      Für manche Gläubige, die sich schon lange Zeit gequält haben, wirkt sich das konkret so aus, dass sie irgendwann jede Hoffnung aufgeben, und den Glauben dann als etwas überwiegend Destruktives wegwerfen, der ja in ihrer Erfahrung nicht mehr eine religiöse Gehirnwäsche ist. Nicht nur der Auftrag zu bekehren ist das Problem – sondern auch die Not der „Ent-kehrung“, der Rückbekehrung zur Welt dank übler Erfahrungen mit der Gemeindetheologie. Wie viele haben diesen Ausweg gewählt, weil sie mit ihrer seelischen Not alleingelassen wurden! Diese Leute sind nach Auffassung vieler Bibelgläubige immer selber schuld – mag die Theologie auch noch so pervers gewesen sein.

      Unsere Webseite hat sich deshalb zur Veröffentlichung auch abweichender, scharf kritisierender Kommentare verpflichtet. Damit orientieren wir uns an Paulus, der es noch als Qualitätsmerkmal seines Dienstes betrachtete, jederzeit zu ehrlicher Rechenschaft bereit zu sein. (2.Kor 4,2)

      Nun fragst Du, ob Gott nicht auch liebe, wertvolle Menschen in den Himmel aufnehmen wird, die ein gutes Leben geführt haben, aber – aus nachvollziehbaren Gründen – nicht an Jesus glauben ?

      Zunächst einmal stelle ich mir die Frage: was sagt die Schrift selbst? Habe ich sie genau genug gelesen? Wie Du richtig feststellst, ergeht in der Bergpredigt eine allgemeine Verheißung: „Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.“ (Mt 5) Barmherzigkeit ist Jesus ungeheuer wichtig.

      In der Nazizeit geschah es, dass „Ungläubige“ unter Lebensgefahr Juden versteckt haben, während der bekehrte fromme Mülheimer Verband in der Nazizeit sich offiziell hinter Hitler gestellt und ihn mit Mose verglichen hat, der das erwählte Volk, Deutschland, aus dem fremdrassigen Judentum herausgeführt hat. (Quelle: Junghardt, Adelheid, et.al., Ruhrfeuer. Erweckung in Mülheim an der Ruhr 1905. 1905 – 2005 Christus-Gemeinde Mülheim, Eine Chronik über die 100-jährige Geschichte der ersten Gemeinde des Mülheimer Verbandes, 2004, hrsg. von der Christus-Gemeinde Mülheim, Uhlandstr.25, 45468 Mülheim an der Ruhr, Seite 146.)

      Dietrich Bonhoeffer, ein Mann, der es sich mit Glaubensfragen gewiss nicht leicht machte und für seine Überzeugung in den Tod ging, sagte, dass er eher Hoffnung habe für diese „Ungläubigen“, dass sie errettet werden, als für die rechtgläubig Bekehrten, die das Recht mit Füßen traten. Darf er diese Hoffnung haben, oder ist der Eintritt der Mülheimer Heuchler, die „glaubten und getauft waren“, in den Himmel selbstverständlich?

      Was sagt die Schrift dazu? Sagt sie nichts?  Mt 25 scheint eine Antwort zu geben: „Kommt ihr Gerechten, denn … ihr habt euch bekehrt, geglaubt und seid getauft worden? Das alles steht dort nicht. Dort steht: „ihr habt dem Geringsten geholfen, und damit mir!“ In Mt 25 scheint Jesus eine Antwort auf deine Frage zu geben, ganze Völker werden in das Reich Gottes eingelassen, weil sie mit ihrem Nächsten barmherzig umgegangen sind. Ist es Schriftwort oder nicht? Ich muss es so stehen lassen. Logisch bringe ich es nur schwer mit dem Aufruf, „zu glauben und sich taufen zu lassen“, zusammen. Beide Aspekte sind wichtig. Ich versuche beiden Aspekten gerecht zu werden.

      Das führt mich zu der Frage, warum ist ein Glaubensbekenntnis so wichtig? Ich habe mir die Frage bisher noch nicht zufriedenstellend beantworten können. Ich denke aber, dass das Mülheimer Beispiel zeigt, dass ein Glaubensbekenntnis nicht das hinreichende Kriterium für die Errettung sein kann. Das Glaubensbekenntnis hat offenbar keinen so hohen Rang wie das Gebot der mitfühlenden Liebe und Ehrlichkeit.

      Was ist ein Glaubensbekenntnis anderes als ein Lippenbekenntnis – gerade dann wenn der soziale Druck in der Gemeinschaft zu einem Bekenntnis groß ist? Ich hatte mit Christen zu tun, die sich als „bekehrt“ betrachteten, aber gar kein Problem damit hatten, einen Bruder finanziell übers Ohr zuhauen. Wenn man jemand lehrt, dass er nur ein „Übergabegebet“ zu sprechen braucht, um sich gegen eine eventuelle Gefahr, nach dem Tod in die Hölle zu kommen, abzusichern, warum sollte er das nicht tun? Auf Kinderfreizeiten kann man auch diese Weise viele „Bekehrungen“ ernten. Ist damit wirklich etwas gewonnen?

      Als Jesus auf Erden wirkte, hatten die Menschen eine einzigartige Möglichkeit, seinen Charakter kennenzulernen. Man konnte sich an Ihm mit guten Gewissen orientieren. Jesus spaltete seine Hörer in die Lager der Freunde und der Feinde. Wer sich zu Jesus bekannte, schützte sich damit vor der Gefahr, aus Angst vor Feindschaft die Seiten zu wechseln. Das Bekenntnis informierte zugleich darüber, dass es eine glaubwürdige, befreiende Alternative zur pharisäischen Gesetzesfrömmigkeit gab.

      Einleuchtend wäre das Glaubensbekenntnis auch als Hilfe zur Vergewisserung. So wie ein Römer bloß zu sagen brauchte „Romanus sum“ (Ich bin ein Römer), um den Schutz in Anspruch zu nehmen, den das Imperium jedem Inhaber des Bürgerrechts garantierte, so hatte auch jeder Christ das Recht, sich auf den Schutzbund mit Christus zu berufen, um allen Einschüchterungen und Bedrohungen zu widerstehen.

      In diesem Kontext macht der Aufruf zur Bekehrung durchaus Sinn. Was könnte Jesus sonst gemeint haben? Hat es Luther gut getroffen, wenn er sagt, dass Bekehrung etwas sei, was der Gläubige täglich tun müsse? Wer nach Barmherzigkeit und Liebe strebt, erkennt die ständige Versuchung zur Unbarmherzigkeit und Lieblosigkeit in seinem Leben und die Gefahr der Selbstzufriedenheit und Selbstgerechtigkeit und sollte deshalb bereit sein, sich immer wieder in Frage zu stellen. Das ist eine gute Eigenschaft, die auch unter Christen nicht selbstverständlich ist und für die man auch guten Gewissens werben kann.

      Eins ist und bleibt wahr: Nur durch Jesus können wir erkennen, WIE Gott tatsächlich ist: „wir sahen seine Herrlichkeit, die wir als die Herrlichkeit des einzigen Sohnes Gottes erkannten: voller Gnade und Wahrheit.“ (Joh 1,14) Wenn wir Jesus anschauen, dürfen wir gewiss sein, die genaueste, verlässlichste Information über Gott zu bekommen: wir müssen nicht mehr vermuten und hoffen, sondern dürfen Gewissheit haben. Jeder Gläubige, der sich an Jesus bindet, darf ganz gewiss sein, dass er das Leben hat: „wer dem Sohn vertraut, der hat das ewige Leben“ (Joh 3,36) Wer ihm nicht vertraut, der hat nicht die Gewissheit erlangt, die er haben könnte. Er wird nicht die Früchte ernten können, die aus einer vertrauensvollen Beziehung zu Jesus erwachsen. So sehe ich den Vertrauensschritt zu Jesus, als lang ersehnte einzigartige Chance, zur vollen Gewissheit zu gelangen. Schrecklich, dass eine auf den „tödlichen Buchstaben“ fixierte Theologie (2.Kor 3,17) daraus genau das Gegenteil gemacht hat: wer nicht rechtzeitig ein absicherndes Übergabegebet gesprochen hat, der darf der ewigen Folter in der Hölle „gewiss“ sein. Tatsächlich? Wie wird sich dann wohl der Gläubige zeitlebens quälen, wenn er an Menschen denkt, die ihm am Herzen liegen und die die Notwendigkeit dieser Aktion nicht einsehen! Für ihn beginnt die Hölle doch schon hier! Oft wird unter diesem Eindruck von der Freude über die Barmherzigkeit Jesu nicht viel übrigbleiben.

      Du schreibst, dass Du Deine Freundin nicht mit gutem Gewissen zur Bekehrung auffordern könntest, dass Du Dir dabei eher wie ein „respektloser Vertreter“ vorkommen würdest. Ich kann das sehr gut nachvollziehen. Was hat das mit Liebe zu tun, wenn man sich mit einer Bekehrungsformel absichern muss, um nicht ewig gefoltert zu werden? Auch bist Du ja selbst bekehrt, und trotzdem fühlest Du Dich kein bisschen sicherer. Du hast Angst und leidest unter Unfreiheit und dem Gefühl, von Gott abgelehnt zu werden. Das alles ist so unglaubwürdig, dass das Ergebnis eines Bekehrungsversuchs vorhersehbar ist. Viele Gläubige lösen das Problem, indem sie gar keine Freundschaften außerhalb der Gemeinde pflegen. Ist das aber der Sinn der Sache?

      Tatsache ist, dass der Gläubige sich seines Glaubens freuen soll. Dir ist so wichtig, was Jesus wichtig war, mitfühlende Liebe, und dennoch schreibst Du von monströsen Ängsten, die Dein Leben zerfressen. Wie unfair das ist! Das alles kenne ich gut.

      Es sind typische Indizien für eine Vergiftung durch Theologie. Viele Missverständnisse beim Thema „Hölle“ entstehen allein durch die Annahme eines finalen Lehrsatzstils oder durch ideologische Denkverbote. Aber auch werkgerechte Missverständnisse, wie sie unter „www.matth2323.de/giftige-theologie“ korrigiert werden, können chronische Ängste auslösen. Wir haben uns im Artikel „Hölle“ (www.matth2323.de/hoelle) um ein Verständnis der biblischen Aussagen bemüht, das die indiskutable Priorität der Maßstäbe Jesu und die Glaubwürdigkeit der Heilsaussagen unterstützt. Auch unter dem Menüpunkt „Heilsgewissheit“ sind hilfreiche Informationen zu finden.

      Wenn du möchtest, teile uns mit, was Dich wirklich überzeugt und wo Du Schwächen in der Argumentation siehst. Wir sind dankbar für kritische Rückmeldungen, die uns die Chance zu gründlicherer Arbeit geben.

      Ich hoffe, dass Du bald wieder zur Freude Deines Glaubens zurückfindest. Lass Dir diese Freude nicht kaputtmachen. Jesus ist gekommen, um uns frei zu machen – wirklich frei. Ich habe neulich unter youtube das Zeugnis von Nick Vujicic gesehen, einem Mann, der ohne Arme und Beine geboren wurde und der die Kraft der Liebe Jesu in seinem Leben bezeugt. Als ich seine Worte hörte, habe ich wieder einmal gesehen, es gibt nichts, was uns so überzeugen und bewegen kann wie die Tiefe der Liebe Jesu.

      LG Christian

      P.S. Ich habe meinen Brief wieder auf das „Du“ umgestellt – das freundlicher und vertrauter klingt. Du hast uns ja auch so freundlich und persönlich geschrieben. Ich weiß manchmal nicht, was richtig ist. Das „Sie“ ist zwar höflich, aber klingt auch immer sehr distanziert. In dieser Weise wollte ich eigentlich nicht antworten. Ich hoffe das ist o.k. für dich. Du bist doch von derselben Not betroffen, hast gute, liebenswerte Gedanken und bist unsere Schwester im Glauben.

    2. Liebe Andrea,
      ich habe noch oft über deinen Brief nachgedacht, der mich doch sehr berührt hat. Wie gut, dass dir das Schicksal deiner Freundin so am Herzen liegt.

      Jesus ist die Liebe in Person und du wünscht dir, dass diese Liebe auch deine Freundin überzeugt. Wie du geschrieben hast, ist sie ein um Selbstlosigkeit und Güte bemühter Mensch, und da ist es oft ein großer Schritt zur Erkenntnis: wie immer ich mich bemühe, auch ich brauche Vergebung.

      Ich wiederum habe meine Zweifel, ob Gott Menschen, die sich um Liebe und Güte bemühen, einfach deshalb verdammt, weil sie die Herrlichkeit des Evangelium nicht erkennen konnten. Jesus sagte ja auch: „Wäret ihr blind, hättet ihr keine Sünde.“ (Jo 9,41,a)

      Muss Sündenerkenntnis am Anfang einer Beziehung zu Christus stehen? Bei der Berufung der ersten Jünger sehen wir, dass sie sich Jesus anschlossen, in der Erwartung, dass er der erwartete Messias wäre. Die ersten Worte, die Jesus dem Nathanael sagte, waren ein Lob: „Siehe ein rechter Israeliter, in dem kein Falsch ist.“ (Joh 1,49) Jesus sah als erstes den treuen und liebenswerten Charakter dieses Menschen anstatt sofort nach dunklen Flecken zu suchen und ihm mitzuteilen, wie schmutzig und erlösungsbedürftig er doch sei. Jesus anerkennt die Sehnsucht des Menschen nach dem Guten, sein ehrliches Bemühen darum. Er freut sich darüber und knüpft daran an. Bei längerem Kontakt mit Jesus bleibt natürlich eine Vertiefung der Selbsterkenntnis nicht aus. Doch sie muss keinesfalls am Anfang der Beziehung stehen.

      Deswegen dürfen wir unsere Freunde zu Jesus einladen, ohne auf dem Thema Sünde oder Hölle herumzureiten. Manchmal ist es angebracht, in dieser Richtung ein Wort zu sagen und zu warnen. Sehr oft aber bewahrt uns ein gesunder Instinkt davor und wir erkennen, dass eine Einladung in dieser Weise nicht überzeugen wird.

      Liebe zum Guten gibt es unter den Menschen aller Kulturen und Religionen – nicht nur im christlichen Glauben. Was in unserem Glauben einzigartig ist, ist unsere Hoffnung. Nach dem Tod wartet nicht das Nichts oder ein unsicheres Schicksal auf uns, sondern wir dürfen uns auf eine herrliche Heimat im Himmel freuen. Jesus wird für seine Freunde eine wunderbare Wohnung vorbereiten, in der wir immer zuhause sein dürfen. (Jo 14,2) Wie tröstlich ist es, wenn schwere Zeiten kommen, wenn das Leben durch Krankheit und Alter immer kümmerlicher wird. Anstatt deprimiert zu sein oder zu verzweifeln, dürfen wir unsere Häupter erheben (Lk 21,28) und uns freuen, dass alle Not nur vorübergehend ist. Was ist das für ein Geschenk! Müssen wir uns damit vor anderen Religionen und Weltanschauungen verstecken?

      Diese Freude sollte uns immer mehr erfüllen, und damit können wir auch Menschen, deren Schicksal uns am Herzen liegt, einladen und überzeugen. We leicht macht uns Jesus doch das Vertrauen! Wir brauchen nur seine Worte zu hören, shon werden wir gereinigt (Jo 15,3 ) und dürfen für andere Menschen im Gebet einstehen.(V.7) Jesus hat versprochen, fleißiges Gebet zu erhören (Luk 18,1). Es freut ihn, wenn wir – wie es Priester tun – für andere bitten. (1Petr 2,5)

      Er hat uns seine Gegenwart und Hilfe zugesagt, wenn wir seine Nähe suchen (Jak 4,4) im Dank, im Gebet und im Lesen seines Wortes. So können auch unsere Ängste um andere zur Ruhe kommen. Das ist auch der Wille Gottes: er will nicht, dass wir in Angst leben müssen, weder in Angst um uns noch um unsere Freunde (Luk 1,74).

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