ich glaube …

Ein Gebet Dietrich Bonhoeffers: „Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen.

Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage soviel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen. In solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein.

Ich glaube, dass auch unsere Fehler und Irrtümer nicht vergeblich sind, und dass es Gott nicht schwerer ist, mit ihnen fertig zu werden, als mit unseren vermeintlichen Guttaten.

Ich glaube, dass Gott kein unpersönliches Schicksal [1] ist, sondern dass er auf aufrichtige Gebete und verantwortliche Taten wartet und antwortet.“

 

Ist diese Zuversicht nicht wunderbar?

Wie viele haben es schon erfahren: die äußere oder innere Lage mag verzweifelt sein will, wie sie will …  So mancher hat schon in dieser Art und Weise gebetet und hat unversehens die tröstliche Nähe der unsichtbaren Welt gespürt und unversehens eine wundersame Wendung im Leben geschenkt bekommen. (Glaubenszeugnisse)

Wer sich entschließt, sich durch die leisesten Impulse von Liebe und Wahrhaftigkeit leiten zu lassen, entwickelt spirituelle Sensibilität. Plötzlich spürt er: Gott ist da. Er ist ganz nah. Und je stärker die Erfahrung dieser Nähe, desto unbedeutender und kraftloser wird der Zweifel, die Angst vor dem Verlorensein, dem Vergessensein und der Sinnlosigkeit.“ Alle, die sich vom Geist Gottes leiten lassen, sind Gottes Kinder“ (Rö 8,14) Das ist lebendige Glaubensgewissheit, die Erkenntnis der Gotteskindschaft (1.Joh 3,1), die Grundlage der Glaubensfreude.

Glaubensfreude! Wie unendlich kostbar ist diese Erfahrung! Wie sehr ist der Gläubige bemüht, sie festzuhalten!

Und doch: wie leicht geht sie kaputt! Auch die stärkste Glaubensfreude ist ständig bedroht: durch die Einwirkung  des Bösen, das nicht nur in der Welt ist (Joh 17,14), sondern auch in uns. Wer seine Glaubensfreude bewahren will, wird dem Bösen widerstehen wollen, so gut er nur kann.

Doch das Gute ist nicht immer ohne weiteres erkennbar, auch wenn unsere Absichten gut sein mögen. Vermeintlich Gutes kann sehr böse sein. „Jemand kann als Engel des Lichts auftreten und ist dennoch der Satan selbst.“ (2.Kor 11,14)

Auch Bibellehrer können auftreten, die einen äußerst heiligen und ehrfürchtigen Eindruck machen, sodass das Destruktive, das sie weitergeben, gar nicht erkannt wird. („Giftige Theologie„).

Nicht zuletzt neigen Gläubige dazu, ihre eigenen guten Vorsätze über zu bewerten.  Sie nehmen das Böse und Destruktive in sich selbst gar nicht mehr wahr, zumal wenn es im vermeintlichen „Auftrag“ Gottes geschieht.

Deswegen sind Liebe und Wahrhaftigkeit unauflöslich miteinander verbunden. Es gibt schwerlich echte Glaubensgewissheit und Glaubensfreude ohne die Sensibilität für die Bedeutung absoluter Wahrhaftigkeit. „Wer Wahrhaftigkeit liebt, bei dem kommt an, was ich sage“ (Joh 18,37)

Und mit der Wahrhaftigkeit ist es so eine Sache – gerade in religiösen Gemeinschaften. Dort ist der Wunsch nach Vermehrung der Mitgliederzahlen in der Regel viel größer als die Sorge um Wahrhaftigkeit.

Oft genug ist die Abschottung vor Informationen, ja das Reden wider besseres Wissen  „der einzige Weg“, um sich vor Verunsicherung zu schützen. Und das soll richtig sein?

Wenn Gläubige berichten, dass sie durch die Gemeindetheologie in schwere seelische Not geraten sind, dass sie „der Buchstabe tötet“ (2Kor 3,6), wie wird da reagiert? Wenn man die eigene „Glaubenswunschwelt“ nicht in Frage gestellt sehen will, stellt man sich gewöhnlich taub und hält für diesen Fall ein paar Standardphrasen bereit. Die Gleichgültigkeit der Glaubensgemeinschaft gegenüber solchen Notfall-Berichten ist nicht nur ein Beweis größter Lieblosigkeit, sondern auch ein schweres Handikap für die Gewinnung zuverlässiger Erkenntnisse.

Eine Glaubensgemeinschaft, die auch aus den größten Lebenskatastrophen nichts lernt, pflegt ihre  Illusionen. Die Unfähigkeit aus Fehlern zu lernen spiegelt sich in der Lehrweise wieder: Predigten werden todlangweilig, ihre Aufgabe ist,  den emotionalen Erwartungen zu entsprechen und sie als ewig dünne Suppe immer neu aufzuwärmen. In 1000 Variationen wird die immer gleiche Schallplatte abgespielt.

Wenn wir wirkliches Vertrauen haben wollen und nicht nur Selbstsuggestion und Wunschdenken, dann ist es sinnvoll, über belastende Glaubensprobleme ohne Bevormundung nachzudenken und Glaubensfreude und Glaubensstärkung aus erlaubten und guten Quellen zu beziehen, aus Quellen, die nicht durch gedankenlose Anpassung und durch Reden wider besseres Wissen verunreinigt sind.

Die Entfernung des Fragwürdigen geht einher mit der Hinwendung zu Gott und seiner Wahrheit. Wir können jeden Tag im Sinne Bonhoeffers beten, um Gottvertrauen, Glaubensfreude und Erkenntnis der Kostbarkeit des Glaubens zu bilden. Für jeden Tag des Jahres möchten wir zusätzlich ein Gebet in diesem Geist zusammen mit einer kleinen hinführenden Schriftbetrachtung zur Verfügung stellen. Beides stammt aus dem Andachtsbuch „Lebendige Worte“ von Pastor Samuel Keller (1856 – 1924) Die innige Verbundenheit mit Gott in der Andacht wird durch geistliche Übung weiter vertieft und gefestigt.

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[1] Im Original heißt es „zeitloses Fatum“.