Gift Nr. 26


26. Behauptung: “Es ist Hochmut, die theologische Tradition der Gemeinde / Kirche mit der Bibel zu prüfen.”

Am weitgehendsten hat sich die katholische Kirche ein Auslegungsmonopol vorbehalten. Nach § 1371, 1° des Codex iuris canonici [CIC] macht sich jeder Gläubige strafbar, der eine vom Papst oder von einem Ökumenischen Konzil verworfene Lehre vertritt oder eine Lehre, gleichgültig ob sie den Status einer endgültigen Entscheidung erlangt hat oder nicht, hartnäckig ablehnt und nach Verwarnung nicht widerruft.

Wenn das gelten soll, dann wird der Papst Herr über den Verstand und das Gewissen der Gläubigen. Wie viel bleibt dann noch von ihrem Recht, “ALLES zu prüfen” (1.Thess 5,2) übrig ? Selbst der Maßstab, an dem man prüfen könnte, nämlich “Barmherzigkeit, Fairness, Verlässlichkeit“, ist nicht mehr vorhanden, da der Papst oder sein Konzil definieren können, wie diese Maßstäbe verstanden werden müssen.

Die Möglichkeit, Gewissheit und seelischen Frieden durch tiefere Einsicht zu bilden, ist daher stark eingeschränkt. Übrig bleiben irrationale Methoden: der Glaube an die Heilswirkung der Sakramente, die nur Priester spenden oder versagen können, was natürlich eine starke seelische Abhängigkeit vom religiösen Machtsystem begünstigt.

Für Gläubige, die sich mit katholischen Lehrsätzen herumquälen, und zugleich glauben, dass “Alles zu prüfen” Sünde sei, gibt es keine Hilfe. “Verflucht ist, wer sich auf Menschen verlässt!” (Jer 17,5) Um klar zu sehen, genügt blinder Glaube an Menschen nicht, man muss das Licht des Verstandes einschalten, der – wie die Bitte des jungen Salomo zeigt (1.Kö 3,11-12) – eine der wichtigsten Gottesgaben ist.

Mit Verstand kann dann in die Kirchengeschichte sehen, um festzustellen, ob Papst und Konzilien niemals geirrt oder widersprochen haben. Man kann sich mit dem aktuellen Missbrauchsskandal befassen und sich fragen, ob das Vertuschen, die Gleichgültigkeit gegenüber Geschädigten, die Gleichgültigkeit gegenüber potentiellen neuen Opfern nicht ein hinreichender Beweis für die Unfähigkeit ist, die Qualitätsmaßstäbe Jesu zu verstehen. Wenn man sie selbst nicht versteht und respektiert, wie kann man dann anderen Gläubigen verbindlich vorschreiben wollen, wie sie zu interpretieren sind ?

Wer den Verstand der Gläubigen derart knebelt und bevormundet, versündigt sich gegen ihre von Gott geschenkte Berufung, dereinst König und Priester zu sein. (Offb 1,6) Wenn in der katholischen Kirche vom “allgemeinen Priestertum aller Gläubigen” gesprochen wird, so ist anderes gemeint – schon gar nicht die Ausübung der exklusiven Rechte geweihter Priester wie Zusprache der Sündenvergebung (Absolution) und Halten des Herrenmahles (Eucharistie). Wer das tut, macht sich nach katholischem Recht strafbar. (CIC 1378,2°-3°) Ist die Verkündung “allgemeinen Priestertums” dann nicht Propaganda, die den allzu offensichtlichen Widerspruch vernebeln soll ?

Man sollte besser ernstnehmen, was der Apostel Petrus an alle Gläubigen in der Welt in aller Deutlichkeit schrieb: “ihr seid die lebendigen Steine. Erbaut euch miteinander zum Gotteshause und zum heiligen Priestertum, um Gott Opfer zu bringen, die ihm gefallen.” (1.Petr 2,5) Etwas weiter wiederholt er: “ihr seid das auserwählte Geschlecht, das königliche Priestertum, das heilige Volk, berufen dazu, die Herrlichkeit dessen zu verkünden, der euch aus der Finsternis berufen hat in sein Licht.” (1.Petr 2,9).  Das sind keine Phrasen, sondern verbriefte Rechte ! Jeder Gläubige ist zum Priester berufen – durch den Heiligen Geist. Und jeder Gläubige, der sich vom Heiligen Geist leiten lässt, hat die “Einstellung Jesu”, die ihn zu verlässlichem Urteil befähigt. (1.Kor 2,16) Er kann “alles prüfen”  (1.Thess 5,21) und er darf es.

Auch evangelikal-bibeltreue Gemeinden können mit einem “päpstlichem” Autoritätsanspruch auftreten, der den Gläubigen bevormundet und mit den Aussagen der Heiligen Schrift über die Würde des Gläubigen in Widerspruch steht.  Keine Gemeinde ist gegen sektiererische Tendenzen und gefährlichen Irrtum automatisch immun! Viele Dinge des Glaubens sind unsichtbar. Man sieht auch die “Früchte”, die nützlichen oder schädlichen Folgen für die Seele selten sofort. Das führt zweifellos leicht zu Fehleinschätzungen.

Zum Prüfen braucht man Urteilsvermögen und Verstand! Er ist – wie das Beispiel Salomos zeigt (1.Kö 3, 5 ff) – eine der wichtigsten Gottesgaben. Paulus hielt überhaupt nichts davon, dass man sich leichtgläubig wie ein Kind auf das Denken der “Erwachsenen” verlässt. Der Verstand, den Gott gegeben hat, soll angemessen gebraucht werden: “Denkt nicht wie Kinder, liebe Brüder! Im Tun sollt ihr unschuldig wie Kinder sein, aber denken müsst ihr wie erwachsene Menschen!” (1.Kor 14,20) Verständig sein muss geübt werden!

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Artikel aktualisiert am 25.04.2018

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