Gift Nr. 13

13. Behauptung: “Ein Versprechen, das der Gläubige Gott gegeben hat, muss auf jeden Fall eingehalten werden, auch wenn es dumm und destruktiv war. Wenn der Gläubige es nicht einhält, muss er damit rechnen, dass Gott sein ganzes Leben ruiniert.”

Hier beruft man sich auf 5.Mo 23,21: “Wenn du dem Herrn etwas gelobst, so sollst du nicht zögern, dein Versprechen zu halten ; denn der Herr, dein Gott, wird’s von dir fordern, und es wird dir Sünde sein.” sowie auf Pred 5,3-5. “Wenn du Gott etwas versprichst, so zögere nicht, es zu halten; denn er hat kein Gefallen an den Narren. Was du gelobst, das halte. Es ist besser, du gelobst nichts, als dass du nicht hältst, was du gelobst. Erlaube deinem Mund nicht, dich zu verführen; und sprich vor dem Engel nicht: Es war ein Versehen. Gott könnte zornig über dich werden und alle Werke deiner Hände verderben.”

Ein schauerliches Beispiel für die Pflicht, auch unbarmherzige Versprechen einhalten zu müssen, liefert die Jephta-Geschichte. Jephta verspricht zum Dank für den Sieg in der Schlacht das, was ihm bei seiner Rückkehr zuerst entgegenkommt, als Brandopfer darzubringen. (Ri 11,30-31). Leider lief ihm seine Tochter entgegen, sodass er sein leichtsinniges Versprechen tief bereute. Aber er “tat an ihr, wie er dem Herrn versprochen hatte.” (Ri 11,39)

Einen Menschen einem Gott zu opfern, war nach dem Gesetz verboten (5.Mo 12,31) Ersatzweise forderte Jephta von seiner Tochter den Verzicht auf Ehe und Mutterglück, was um so mehr ins Gewicht fiel, als sie sein einziges Kind war.

Unklar ist, warum er die Möglichkeit nicht nutzte, die das Gesetz bot, nämlich das Gelobte freizukaufen. Nach 3.Mo 27,4 war für eine Frau 30 Sekel zu entrichten. Diese wären aus der Kriegsbeute leicht zu bezahlen gewesen. Angesichts des überwältigenden Sieges erschien ihm dieser Ausweg wohl als Respektlosigkeit und sein Gewissen konnte sich von dem unsinnigen und zweifellos destruktiven Gelübde nicht mehr lösen.

Da das Gelübde auch im Neuen Testament (Apg 18,18 / 21,24 / 1.Tim 5,11-12) vorkommt, haben manche Gläubige heute noch große seelische Nöte wegen übereilter und unsinniger Gelübde auszustehen.

Wenn man in Geldnot ist, dann neigt man dazu, sich mit Krediten zu helfen, die kurzfristig Erleichterung schaffen, das Problem aber langfristig verschärfen. Wenn man ohnehin unter einem strengen Gewissen leidet, dann ist die Versuchung sehr groß, die Gewissenslast durch Versprechungen zu erleichtern.

In bibeltreuen Gemeinden wird ständig zur Hingabe aufgefordert und die Bereitschaft zur Hingabe nimmt nicht selten die Form eines Versprechens an. So kann es geschehen, dass junge Menschen in einer starken, aber vorübergehenden religiösen Begeisterung versprechen, “alles dem Herrn zu weihen”, “als Missionar hinauszugehen”, oder “ehelos zu bleiben” wie es einst Paulus war. Ist der religiöse Rausch verflogen, so erkennen sie, dass sie sich eine Last aufgelegt haben, die sie gar nicht tragen können. Sie stehen vor der Alternative, ein unsinniges Gelübde einzuhalten und damit lebenslang unglücklich zu sein, oder es zu missachten und immer in Angst vor einem Gott zu leben, der den “Kredit” erbarmungslos eintreibt und in der Wahl der Mittel ähnlich wie ein brutales Inkasso-Unternehmen kein Erbarmen kennt.

Geben wir dem Wortlaut des alttestamentlichen Gesetzes die höchste Priorität, so ist keine Hilfe möglich. Beachten wir aber, dass die Maßstäbe Jesu Christi die höchste Priorität haben, so ist die Lösung recht einfach. Der Gläubige darf nicht nur, sondern er MUSS barmherzig, fair und glaubwürdig sein.

Ist es barmherzig, einen Menschen, den man liebt, erbarmungslos auf ein unüberlegtes Versprechen (z.B. ehelos zu bleiben) festzunageln, das ihn sein Leben lang nur belastet und quält? Ist es fair, mit ständigen Ermahnungen so viel von einem Menschen zu fordern, dass er sich mit Versprechungen helfen muss? Ist es ehrlich, “als Missionar hinauszugehen” und vom göttlichen Erbarmen zu predigen, wenn man nur Missionar geworden ist, weil man Angst vor göttlicher Erbarmungslosigkeit hatte?

Durch Gelübde geht die klare Abgrenzung zur Werkgerechtigkeit verloren. Wieder ist das eigene Tun im Mittelpunkt, mit dem sich der Gläubige selber rettet. Und das ist verboten! “Ihr habt Christus verloren, die ihr euch durch die Erfüllung der göttlichen Normen selber retten wollt.” (Gal 5,4) Die Abgrenzung von der Werkgerechtigkeit muss 100% sauber und kompromisslos sein: “ein wenig Sauerteig durchsäuert den ganzen Teig” (Gal 5,9)

Daraus folgt: Gelübde haben für den Christen keine Bedeutung. Er stellt sich seinem Herrn jeden Tag neu zur Verfügung und lebt ganz aus der Gnade.

Wie sind dann die im Neuen Testament erwähnten Gelübde einzuordnen ?

Paulus benutzte das Gelübde, das im Alten Testament und in der jüdischen Kultur eine gewisse Bedeutung hat, um das Vertrauen seiner jüdischen Landsleute zu gewinnen (Apg 18,18 / 21,24). Aus demselben Motiv beschnitt er auch Timotheus (Apg 16,3), der mit ihm zusammen die Juden missionierte. Eine inhaltliche Bedeutung hatte die Beschneidung für ihn nicht. Er warnte die Gläubigen, mit der Beschneidung irgendeine geistliche Bedeutung zu verbinden: “Siehe, ich, Paulus, sage euch: Wenn ihr euch beschneiden lasst, dann wird euch Christus nichts mehr nützen.” (Gal 5,2)

1.Tim 5,11-12 erwähnt Witwen, “die Wünsche haben, die Christus widersprechen und wieder heiraten wollen und haben sich damit das Urteil zugezogen, dass sie die erste Treue gebrochen haben” (wörtlich übersetzt). Es gab damals eine Gruppe von verwitweten Frauen, die sich ganz dem diakonischen Dienst weihte und dafür offensichtlich besondere Privilegien genoss. Wer sich in diese Gruppe aufnehmen ließ und dann doch heiratete, schadete dem Ansehen dieses Amtes (das später in der Kirchengeschichte seine Bedeutung verlor). Darin bestand die Sünde.

Die Wortwahl des Paulus ist hier, wie an anderen Stellen auch, sehr missverständlich. Der wortwörtliche Übersetzung macht ähnlich wie in Tit 1,12-1 überhaupt keinen Sinn, sondern lässt den Wahn der Werkgerechtigkeit wieder aufleben, von dem doch Paulus selbst sagte, man müsste sich davon kompromisslos fernhalten.

Wie können wir das angemessen übersetzen?

Ein Versuch: “Welche Frau kann in das Verzeichnis der Witwen aufgenommen werden? Sie sollte wenigstens sechzig Jahre alt sein… Jüngere Frauen, die sich bewerben, weise zurück. Eines Tages haben sie wieder den Wunsch zu heiraten und müssen sich dann den Vorwurf gefallen lassen, dass sie ihr Wort nicht halten können. Jesus aber will nicht, dass seine Jünger als unzuverlässige Leute gelten.

Wie C.S.Lewis einmal sagte, hat Gott offenbar dem Paulus die Gabe der anschaulichen Darstellung (Didaktik) aus gutem Grunde versagt. Er nimmt also nicht nur die Stärken, sondern auch die Schwächen des Paulus in Seinen Dienst.

Eben weil vieles schwer zu verstehen ist, ist die Gemeinde gezwungen, mit dem Text zu arbeiten und immer wieder neu darüber nachzudenken. Fatal ist dann allerdings, wenn Nachdenken, Prüfen und Ergründen zur Sünde erklärt wird und man sklavisch am Buchstaben klebt. “Der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig” (2.Kor 3,17).

Wie schon zur unvergebbaren Sünde gesagt wurde: Gott macht sich und sein Wort unglaubwürdig, wenn im Kleingedruckten aufgehoben wird, was klar und deutlich im Hauptvertrag steht. Wenn der Gläubige “zur Freiheit befreit” (Ga 5,13) und “los vom bösen Gewissen” (Hebr 10,22) und “frei vom Gesetz” (Gal 7,3+4 / 1.Tim 1,9 ! ) ist, dann sind das gültige Versprechen Gottes, die zuverlässig eingehalten werden und durch ein eigenes unüberlegtes Gelübde nicht nachträglich eingeschränkt werden können.

Das Eheversprechen übrigens, dass vor der Gemeinde gegeben wird, ist kein echtes Gelübde. Es hat keine rechtsbegründende Wirkung, sondern ist deklaratorischer Natur. Es verkündet nur die göttliche Ordnung, dass Mann und Frau einander lebenslang treu sein sollen:

Habt ihr nicht gelesen, dass, der im Anfang den Menschen gemacht hat, sie als Mann und Frau geschaffen hat und sagte: “Darum wird ein Mensch Vater und Mutter verlassen und an seinem Weibe hängen, und die beiden werden eine Person sein” ? Deshalb sind sie nicht zwei Person, sondern eine. Und was Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden.” (Mt 19, 4-5)

Gültig ist diese Rechtsordnung auch, wenn kein Versprechen in der Kirche gegeben wird. Vor einer Strafe für die willkürliche Verletzung dieser Ordnung schützen solche Umgehungsversuche nicht.

Im Ergebnis ist bibeltreuen Theologen recht zu geben, wenn sie feststellen, dass der gläubige Christ ganz und gar Eigentum seines Herrn geworden ist und deshalb nicht etwas, was seinem Herrn ohnehin gehört, noch einmal geloben kann.

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Artikel aktualisiert am 27.04.2020

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