Die religiöse Gemeinschaft

Chance oder Risiko?

Der Glaube an Gott ist eine zutiefst persönliche Erfahrung. Der Glaubensweg eines Menschen ist einzigartig und nicht kopierbar. Durch Vertrauen auf die Zusagen Gottes sowie durch ermutigende Erfahrungen kann ein Bewusstsein der zuverlässigen Freundschaft Gottes entstehen, das in schweren Lebenskrisen Kraft und Zuversicht gibt.

Religiöse Gemeinschaften bieten die Gelegenheit, solche Glaubenswege kennenzulernen und aus ihnen wertvolle spirituelle Impulse zu gewinnen.

Doch Vorsicht!

In der Regel wird dort religiöse Überzeugung, „Glaubensstärkung“ quasi als Gruppenerlebnis angeboten. Was auf diese Weise entsteht, ist etwas anderes als die Ahnung der Gegenwart Gottes, die ein Leben im Vertrauen auf Gott begleitet.

Je mehr Gläubige dasselbe glauben wollen und je weniger Gläubige durch Nachfragen den Glaubensgenuss stören, desto unantastbarer erscheint der Glaubensinhalt. Eine bessere Vorsortierung der Gläubigen lässt sich erzielen, indem die Gemeinschaft zusätzliche ethische Forderungen stellt, die Angepasstheit auch äußerlich nachvollziehbar machen.

Je weniger Störer, desto unkritischer und beeinflussbarer die Mitglieder: deswegen ist eine notwendige Begleiterscheinung das Aufblühen frommer Phantastereien. Die Unterschiede zwischen Faktum und Phantasie, zwischen Wunsch und Wirklichkeit verschwimmen – die fromme Lüge wird mit bestem Gewissen erzählt. Hat sie nicht ein „heiliges“ Ergebnis zur Folge, nämlich größeren Glauben? Auf Versuche, Klarheit zu schaffen, reagiert die indoktrinierte Gemeinschaft mit Panik.

Sie kann dem Gläubigen das Recht „alles nachzuprüfen“ (1.Thess 5,21) nicht zugestehen. Die Bemühung um eine widerspruchsfreie Bewertung der Inhalte wird in solchen Gemeinschaften üblicherweise als „sündiger Hochmut“ diffamiert.

Für die Leitung der Gruppe ist dieser Prozess insoweit vorteilhaft, da in diesem Klima nach tatsächlicher spiritueller Autorität kaum noch gefragt werden kann. Die Autorität einer Leitungsclique wird in dem Maße befestigt, wie sie sich um die Verteidigung der religiösen Wunschvorstellungen bemüht.

Versäumt eine religiöse Gemeinschaft, dieser naturgemäß und unvermeidlich auftretenden Dynamik durch eine offen und ehrliche Informations- und Gesprächskultur entgegenzutreten, so gibt es wenig oder gar keinen Schutz vor seelischer Schädigung durch kurzsichtige Lehrmeinungen. 

Liebe Leserin, lieber Leser, wenn du eine religiöse Gemeinschaft besuchst, so kannst du möglicherweise dort Menschen treffen, die dir ein Wegweiser für gute und wertvolle Erfahrungen mit der unsichtbaren Welt Gottes sein können. Sei zugleich aber immer wachsam – im Wissen, dass dort auch korrumpierte Religiosität, die Glauben und Leben vergiftet, vorhanden sein kann.

Bleibe gut informiert und bewahre dir deine innere Vorsicht und Distanz.

Artikel aktualisiert am 08.01.2022

3 thoughts on “Die religiöse Gemeinschaft”

  1. Also ich entscheide mich mal, den Klarnamen an dieser Stelle nicht zu veröffentlichen. Ich habe auf dieser Seite gesehen, dass das oft auch nicht der Fall ist. Wer ihn haben möchte, soll sich an mich wenden.
    Ich war zwanzig Jahre lang Glied einer solchen Gemeinschaft. Ich erlebte dort genau die Widersprüche, wie sie hier auf dieser Seite immer wieder beschrieben werden. Wir wurden aufgefordert, zu prüfen, aber wenn wir das taten, galten wir als Aufrührer und wurden entsprechend behandelt bzw. gemieden. Die in ihren Anfängen schön wirkende Gemeinschaft (ein ausgetretener Freund sieht das heute anders) entwickelte sich zu einer solchen, wie sie der Brief an die Galater beschreibt. In den Mittelpunkt rückten immer mehr Bestimmungen für den Lebenswandel (z.B. richtige Ernährung aus Sicht der Gemeindeleitung, obwohl solches die Bibel an keiner Stelle lehrt, ebenso Vorschriften für die Kleidung und die persönliche Lebensführung). Was hat vegane Ernährung mit dem Evangelium zu tun ? Hinzu kam die Belehrung über die „Evangeliumsordnung“, was bedeutete, sich der Gemeindeleitung widerspruchslos unterzuordnen und ihre Lehren nicht zu hinterfragen.
    Als gelehrt wurde, dass Frauen selbst im Winter keine Hosen tragen dürfen und Kinder kein Spielzeug haben sollen, reichte es meiner Frau und sie entschloss sich zum Austritt. Ich war des Kampfes im Hamsterrad müde und folgte ihr; dies war vor über zwanzig Jahren der Fall. Später erfuhren wir von danach Ausgetretenen, dass offenbar willkürlich ausgesuchte Gemeindeglieder zu öffentlichen Sündenbekenntnissen genötigt wurden; die vorgehaltenen „Sünden “ waren in den Augen Gottes sicherlich keine. Wahrscheinlich war ihr Verhalten in den Augen der Gemeindeleitung nicht völlig linientreu. Wer sich heute in dieser Gemeinde nicht strikt vegan ernährt, hat mutmaßlich zumindest im „inneren Zirkel“ nichts zu suchen; das schließe ich aus Kontakten mit Gemeindegliedern, die zu diesem „inneren Zirkel“ keinen Kontakt mehr haben, aber der Gemeinde noch den Zehnten geben.
    Im Februar starb der Leiter dieser Gemeinde mit 66 Jahren vermutlich an den Spätfolgen einer Berufskrankheit, die er sich als Handwerker beim Telefondienst der damaligen Deutschen Bundespost zugezogen haben dürfte. Ob er der Rettung oder dem Gericht Gottes anheimfällt, ist unserem HERRN und Gott zu überlassen, mir steht da weder eine Beurteilung noch gar eine Verurteilung zu. Täte ich dies, würde ich mich selbst verurteilen.

  2. lieber H.,
    .
    Es gibt im Netz üble Beispiele für die Verwendung von Klarnamen: wenn nach allen Seiten vom hohen Ross herab verbale Ohrfeigen ausgeteilt werden gegen jedermann, der nicht genau auf der eigenen ideologischen und natürlich unantastbaren Linie ist. Nach dem Motto: wer Fehler bei anderen kritisiert, braucht über sich selbst nicht nachzudenken. Der Stil ist in der Regel geifernd und empört – und unangenehm zu lesen.

    Unsere Arbeitsgruppe gründet sich auf den christlichen Minimalkonsens „Christus von Gott in das Fleisch gekommen“ und verfolgt keine ideologische Linie, an die sich irgendjemand anzupassen hätte. Es geht uns nur um Wahrnehmung von Gefahren für die psychische Gesundheit.

    Leider werden warnende Hinweise sehr leicht als übertrieben oder als unbedeutende Einzelfälle abgetan. Da hilft die Nennung des Klarnamens, sich einen Eindruck vom Ausmaß der Verführung zu verschaffen. Sie ist auch angebracht als Quellenangabe, wenn die Information an sich bezweifelt wird („So was gibt’s doch gar nicht“).

    Der Klarname ermöglicht, im Netz zu suchen und die weitere Entwicklung zu verfolgen, vielleicht auch Gegenargumente zu finden. (Beispiel: Sondergaards „Letzte Reformation“).

    Wenn man allerdings noch Freundschaften mit Mitgliedern der zu kritisierenden Bewegung pflegt, dann ist vielleicht der Verzicht auf Klarnamen der bessere Weg. Man muss es gegeneinander abwägen.

    Du fragtest: Wie lang sollte ein Text sein? Nicht schlecht ist die Länge dieses Textes. Denn in einem Gespräch wird man sich „häppchenweise“ äußern und warten, was der andere sagt oder ergänzt. (Was es nicht ausschließt, dass man manchmal auch einen längeren Vortrag zum Thema gut ausarbeitet, der aber strukturiert und durchnummeriert sein sollte, damit er gut kommentiert werden kann.)

  3. Zu Deiner Bitte um Beiträge zu praktischen Erfahrungen mit Sonderbewegungen und geistlichem Missbrauch: Sollen da die Klarnamen genannt werden ? Namentlich möchte ich die Bewegung heute öffentlich nicht mehr angreifen. Also schon die Erfahrungen von mir und anderen beschreiben, aber ohne Benennung der Bewegung. Ist meistens so üblich, habe ich festgestellt. Eine Frage: wie lang sollte ein Kommentar höchstens sein?

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