Liebes-„Beweis“?

Beweis der Liebe nachvollziehbar?

Menschen, die von giftiger Theologie gequält werden, muss der seelsorgerliche Hinweis, dass Jesus aus Liebe zu ihnen den Opfertod auf sich genommen hat, nicht helfen. Vom Segen dieses Opfers merken sie ja nichts.

Solange sie theologischer Gewaltwirkung weiter ausgesetzt bleiben, werden sie das Opfer Jesu nur als totalen Einsatz für die privilegierte Gruppe seiner bevorzugten Lieblinge ansehen können, auch wenn die Werbung so lautet, dass sein Opfer jedem Menschen gilt. Immer wieder waren Menschen bereit, ihr Leben für eine große Idee, an die sie glaubten, hinzugeben. So werden sie auch Jesus missverstehen: er starb für eine große Idee, ganz wenigen Auserwählte in seinen Himmel zu bringen, zu denen sie nun einmal nicht gehören.

Können sie besser erkennen, wie sehr sie Gott liebt, wenn man ihnen anschaulich vor Augen führt, wie grausam das Leid war, dass Jesus erlitt ? Wird es sie trösten, wenn man sie ein Holzkreuz oder Nägel anfassen lässt oder ihnen den brutalen Spielfilm “Die Passion Christi” (mit Mel Gibson als Jesus-Darsteller) vorführt ?

Wohl kaum. Das Problem ist nicht, dass die Intensität des Leids Jesu unterschätzt wird, sondern dass unklar bleibt, ob der Verzweifelte an der durch den Opfertod erwirkten Erlösung teilhat oder nicht.

Ist das unklar, dann wirkt der Versuch, die Grausamkeit anschaulich zu machen, sogar negativ: “Denn wenn dies hier dem lebendigen Baum geschieht, wie wird es dann erst dem verdorrten ergehen?“ (Luk 23,30) Wenn Gott schon mit seinem unschuldigen Sohn so grenzenlos grausam verfuhr, wie wird er dann erst mit mir verfahren, der ich nur ein dürres Holz bin und nicht zu den Erwählten gehöre ?

Wenn es einem selbst schlecht geht und anderen Gläubigen gut, die sich weit weniger Mühe geben, dann liegt der Gedanke der Günstlingswirtschaft und willkürlichen Benachteiligung sehr nahe. Wenn Gott bei allem Leid stumm bleibt, dann kann sich das Gefühl verfestigen, dass man nicht zu den Erwählten gehört. Die Gebote der “giftigen Theologie“, an denen sich der Verzweifelte vergeblich abmüht, sind das “Sieb”, das dazu dient, ihn aus der Gruppe der Erwählten auszusortieren. “Unsere Liebe zu Gott zeigt sich im Befolgen seiner Gebote, und das ist nicht schwer. Denn jeder, der aus Gott geboren ist, siegt über die Welt; er besiegt sie durch den Glauben.” (1.Joh 5,3-4)

Das Opfer Jesu wird dann eher als taktische Maßnahme gesehen, die der Kirche die Herrschaft über das Gewissen ermöglicht und den Gläubigen zwingt, sich ständig in selbstquälerischer und deprimierender Weise als Totalversager zu sehen.

Fazit: Der sorgfältige Gläubige kann nur dann am Opfertode Jesu die Liebe seines Gottes erkennen, wenn ein gesundes, überzeugendes, solide begründetes Verständnis von “Heiligung” vorhanden ist, die ihn vor schädlichem Missverstehen der Gebote schützt (“Giftige Theologie“). Bei Gläubigen, die zum Optimismus und zu selektiver Wahrnehmung neigen, ist es anders: sie werden weder durch eine Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis nicht beunruhigt und erkennen folglich das Problem gar nicht. 

Artikel aktualisiert am 25.04.2018

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