Was ist Gesetzlichkeit ?

Mit „Gesetzlichkeit“ wird eine seelische Überforderung bezeichnet, die auf den Gebrauch oder Missbrauch des göttlichen Gesetzes zurückzuführen ist, die langfristig Angst vor der Strafe oder gar Feindschaft Gottes herausbeschwört (giftige Theologie). Sehr oft wird behauptet, dass diese Überforderung nur durch „Hinzufügungen“ zum biblischen Text zustande kommt, nicht durch den Text selbst.

Leider sind viele im Internet angebotenen Informationen zu diesem Thema oft sehr oberflächlich. Mit unseren Thesen wollen wir einladen, sich einmal gründlicher mit diesem Thema auseinanderzusetzen.

Zehn wichtige Thesen zur Annäherung an den Begriff „Gesetzlichkeit“:

1. „Gesetzlichkeit“ im Sinne von Selbstgerechtigkeit ist ein Merkmal charakterlicher Unreife bzw. Schwäche und kann durch Förderung der Selbsterkenntnis eingedämmt werden – z.B. auf dem Wege einer geeigneten Zusammenstellung biblischer Aussagen.
„Gesetzlichkeit“ im Sinne ausweglosen seelischen Leidens infolge Überforderung durch Gebote ist ein seelsorgerliches Problem und kann nicht theoretisch, allein durch Analyse biblischer Aussagen sinnvoll gelöst werden. Wer das möchte, muss sich mit den konkreten Notsituationen befassen: Sechs Seelsorge-Beispiele.

2. Die Behandlung der gesetzlichen Überforderung stellt nicht nur ethische Forderungen an den Betroffenen, sondern gleichermaßen an den Seelsorger, nämlich sich als guter Hirte zu bewähren, der sich durch Wertschätzung der Fairness (Ps 37, 28 / 94, 15 / Jes 1, 17), Liebe zu den schwachen Geschwistern (Mt 25,40 / 1.Kor 12, 22 -24) und nicht zuletzt durch Fähigkeit zu gründlicher Selbstkritik (Rö 2,21a / 2.Kor 10,12-13+18 / 15,5) auszeichnet.

Leider finden sich immer wieder Gläubige, die im Wahn berufene Stellvertreter Christi zu sein, ihren Mitchristen „unnötig schwere Lasten auferlegen“ (Mt 23,4) und sich um evt. Folgeschäden nicht kümmern. Insbesondere in den skizzierten Sechs Seelsorge-Beispielen werden sie kaum Überzeugendes anbieten können.

Wer gleichgültig gegenüber der seelischen Not von betroffenen Mitchristen ist („Blinder Fleck„) befindet sich im Widerspruch zur Haltung Jesu, der das einzelne verlorene Schaf sucht: „was ihr dem Geringsten meiner Brüder getan habt, dass habt ihr mir getan.“ (Mt 25,40). Er befindet sich damit im Widerspruch zum „Geist Christi“ (1.Kor 2,16), der ihm die Schrift aufschließen könnte.

3. Geistliches Verständnis wird gerne mit theologischer Loyalität verwechselt. Der Glaube, ein sicheres Urteil auf der Basis theologischer Loyalität, verbunden mit logischem Instrumentarium gefunden zu haben, verkennt die Tatsache, dass die Bibel nicht Objekt ist, sondern in einer lebendigen Weise auf die innere Haltung des Lesers positiv oder negativ reagiert, entweder mit Erkenntnis oder mit Missverstehen.

4. Wie die Notfallbeispiele zeigen, werden Gebote nicht automatisch in einer hilfreichen Weise verstanden. Das Wort Gottes ist dem Menschen in Form des „Buchstabens“ verfügbar gemacht. Der Buchstabe soll und kann dem Leben dienen, wenn bestimmte Bedingungen des geistlichen Lebens erfüllt sind. Treffend lassen sich die Buchstaben der Bibel mit den „Buchstaben“, den Code-Molekülen der Erbsubstanz in der Zelle, der DNS vergleichen. So wie der „Buchstabe tot“ ist (2.Kor 3,17) ist auch das Erbmolekül DNS selbst nicht lebendig. Aber es steuert den Aufbau und Vollzug des Lebens sinnvoll, wenn es in eine lebendige Zelle eingebettet ist. (Schöpfungsgemäßes Inspirationsmodell) Praktisch heißt das: der Sinn biblischer Normen ist nicht immer ausnahmslos und automatisch klar aus dem Wortsinn abzuleiten. Wäre das so, dann könnte man das Überforderungsproblem am „grünen Tisch“, d.h. theoretisch – allein mit Gelehrsamkeit -lösen.

4. Gesetzlichkeit, d.h. das Missverstehen und Missbrauchen des Gesetzes zum Erzwingen unnötiger Belastungen ist also etwas, was der Wortsinn nahelegen kann. Buchstäbliches und richtiges Verständnis können einander widersprechen. Das heißt, dass der Gläubige in bestimmten Fällen gezwungen und befugt ist, sich nicht nach dem wortwörtlichen Sinn zu richten – so wie es Jesus in bestimmten Fällen getan hat. (Lk 9,55 / Joh 8) Diese Tatsache wird von Theologen, die behaupten, dass nur das eigenmächtige Hinzufügen von Geboten zur Bibel Gesetzlichkeit charakterisiert, ignoriert.

6. Der Gläubige ist aufgerufen, sich um ein „geistliches Verstehen“ und Gebrauchen biblischer Gebote zu bemühen (1.Kor 2,14-16) – im Sinne Christi.

7. Der zulässige Sinn ist abgesichert durch die Autorität Jesu und entspricht ausnahmslos den wichtigsten (!) Geboten: (Mt 23,23) der Barmherzigkeit, der Gerechtigkeitsliebe und der Vertrauenswürdigkeit.

8. Der richtige und zulässige Sinn eines Bibelwortes ist immer lebensfördernd (Mt 4,4) und überzeugend (Jo 1,17). Ein lebensförderndes Verständnis erfordert die Beachtung der richtigen Priorität (Mt 23,24): das Wohl des Gläubigen hat Vorrang vor der Erfüllung des Buchstabens: „Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht umgekehrt.“ (Mk 2,27) Unvollkommenheit des Gläubigen gefährdet nicht das Heil. Diesen Freiraum zu erhalten, ist GEHORSAM. (Gal 5,1)

9. Wenn der Wortsinn eher destruktiv als hilfreich ist, so handelt es sich nicht um eine letztgültige Aussage, sondern um eine Aussage mit Schatten-Charakter, d.h. um eine Vorstufe, die dem Gläubigen als Aufgabe gegeben ist, um vom Wortsinn abweichend den richtigen Sinn zu erschließen.

Der Gläubige soll auf diese Weise geistliches Urteilen üben und folgt damit dem Vorbild Jesu, der sich ebenfalls in solchen Fällen nicht an den Wortsinn gebunden fühlte. (Joh 8, 1ff: Verzicht auf die Steinigung der Ehebrecherin). Es ist wenig glaubhaft, dies als einzelne Ausnahme zu sehen. Wer würde bezweifeln, dass Jesus nicht auch Gebote wie 5.Mo 25,12 (Hand abhacken) oder 4.Mo 15,26 (Steinigen des Sabbatschänders) ignorieren würde ? Die Reaktion Jesu darauf ist – auch ohne explizite Erwähnung in der Bibel – absolut vorhersehbar!

Die Apostel gebrauchten diese Befugnis viel umfassender, um sich vom ganzen mosaischen Gesetz zu lösen. Die Begründung lässt auf sehr weitgehende Freiheitsrechte schließen: „Es hat dem Heiligen Geist und uns gefallen„. (Apg 15,28).

10. Der Zwang zur Beschränkung auf den wortwörtlichen Sinn und auf logische Verknüpfung – der die Suche nach einem überzeugenden, dem Gläubigen wohltuenden Sinn (Mt 4,4) als überflüssig einstuft – ist ein deutlicher Hinweis auf eine die Wahrnehmung störende „Decke vor den Augen“ (2.Kor 3,14), d.h. auf mangelhaftes Verstehen „geistlicher Freiheit“ (Rö 8,21), auf Verwechslung von „Schatten“ (Kol 2,17) und geistlichem Faktum. Gleichwohl lässt sich auf diese Weise manches Phänomen als „gesetzlich“ diagnostizieren, dass „über die Schrift hinaus geht“. Auch das ist ein – wenn auch schmaler – Gewinn.

 

Zum Thema stehen u.a. unter „Broschüren“ folgende Broschüren kostenlos zur Verfügung:

„Unnötig schwere Lasten“
„Zuschauen beim Absturz?“
„Wenn Hilfe schadet…!“

Artikel aktualisiert am 25.04.2018

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