Gift Nr. 06

6. Behauptung: „wer im „unwürdigem Zustand“, d.h. trotz mangelhaftem Gehorsam Brot oder Wein des Gedächtnismahles nimmt, kann mit schwerer Krankheit oder frühem Tod bestraft werden.“

Wer also unwürdig von dem (beim Abendmahl ausgegebenen) Brot isst oder von dem Kelch des Herrn trinkt, der wird schuldig sein am Leib und Blut des Herrn. Der Mensch prüfe aber sich selbst, und erst danach esse er von diesem Brot und trinke von diesem Kelch. Denn wer isst und trinkt und nicht bedenkt, dass es hier um den Leib Christi geht, der isst und trinkt sich selber zum Gericht. Darum sind auch schon so viele Schwache und Kranke unter euch, und nicht wenige sind bereits gestorben.“ (1.Kor 11,1-34)

Der Mensch prüfe sich selbst…“ Wieviele Gläubige gibt es, für die das Abendmahl kaum Anlass zur Freude als vielmehr wiederholter Anlass zu selbstquälerischer Selbsterforschung ist! Welche monströsen Ängste hat die gedankenlose Auslegung dieser Sätze schon bei Gläubigen, gerade auch bei jungen Menschen erzeugt!  Hier konnte sich offenbar jeder im Gottesdienst den Tod oder schwere Krankheit gleich vorne am Altar abholen – sofern er von Gott für „unwürdig“ befunden wurde!

Wer einschätzen will, wie Gott reagieren wird über manches Unwürdige und Unvollkommene im Leben des Gläubigen, der muss Klarheit über den Charakter Gottes haben. Die Chicago-Erklärung, die sklavisch am „tötenden Buchstaben“ (2.Kor 3,16) hängt, lässt jedoch nur ein unklares Gottesbild entstehen. War nicht Gott sogar imstande, einen treuen Gläubigen totzuschlagen, der mit bester Absicht – wenn auch gegen das Gebot – gehandelt hatte. Beim Transport der heiligen Bundeslade gab es ein Problem mit den Zugtieren. Die Lade drohte vom Karren zu fallen und Usa hielt sie fest, um das zu verhindern. Gott tötete ihn auf der Stelle (2.Sam 6,6), da es nur den Kahathiten erlaubt war, die heilige Lade zu berühren. (Num 4,15.20) Und nun soll der Gläubige gar das heilige Blut Gottes mit seiner Zunge berühren?

Wie würde Gott jetzt auf Gläubige reagieren, die mit schlechtem Gewissen nach vorne gingen, weil sie der Forderung der totalen Selbstverleugnung nicht gehorchen konnten? Stand nicht bereits darauf der Tod? „Wer sein Leben retten will, wird es verlieren, aber wer es verliert um meinetwillen und um der frohen Botschaft willen, der wird es retten„? (Mk 8,35) Musste er alle Sünden gebeichtet und die Vergangenheit aufgearbeitet haben? Musste er mit den besten Vorsätzen, alles Unvollkommene, Sündhafte, „Unreine“ zu lassen, am Altar erscheinen, damit ihn dort nicht das Gerichtswort erwartet: „wer Sünde tut, der ist vom Teufel„? (1.Joh 3,8)

Verständlich, wenn die „herzliche Einladung“, nach vorne  „zum Tisch des Herrn“ zu kommen, um „Stärkung zu empfangen“, keine große Begeisterung, sondern eher ein Gefühl der Angst auslöst.

Was machte denn den Gläubigen „würdig“? Wenn er dank des Sühnetodes Jesu trotz seiner Unvollkommenheit als „würdig“ angesehen wurde, wieso dann die Warnung?

Wozu das Ganze? Ist der wichtigste Zweck des Abendmahles, Gottes Heiligkeit zu demonstrieren und den Gläubigen möglichst regelmäßig mit seiner Unwürdigkeit und Wertlosigkeit zu konfrontieren?

Es leuchtet ein, dass für Gläubige, die dank einer deprimierenden Biographie wenig Optimismus entwickeln können, die Warnung des Paulus geradezu ein Einfallstor für Werkgerechtigkeit werde kann.

Schreckliches Missverstehen! Das aber bei einem buchstabenhörigen Bibelverständnis für nicht wenige Gläubige naheliegend ist. Gerade die Theologie extrem fundamentalistischer Gemeinschaften hat das Abendmahl besonders gerne missbraucht, um ein Höchstmaß an Schuldgefühlen und seelischer Abhängigkeit zu ernten: „Mit jeder deiner Sünden schlägst du Jesus wiederum ans Kreuz (Hebr 6,6), jedesmal, wenn du etwas Falsches tust, vergießt du wiederum sein Blut…“

Tatsächlich? Muss da nicht die Süßigkeit des Abendmahlsweines im Munde wieder zu bitterer Galle (Ps 69,22) werden? Grotesk! Hier muss man den schärfsten Kritikern des Christentums recht geben: das ist im höchsten Maße gewissenlos! Auf diese Weise vergiftet man die Seelen junger Menschen nachhaltig! (Artikel von Frank Sacco)

Die deutlich erkennbare Destruktivität sollte Gläubigen ein Warnhinweis auf die Tatsache sein, dass auch der Satan die Bibel äußerst geschickt zitiert und mit „Frömmigkeit“ zu überzeugen versucht.

Was aber sagt die Schrift? (Mt 4,4) Jesus ist ein einziges Mal geopfert worden (Hebr 10,28) und er hat sich selbst geopfert (Hebr 9,14), damit seine Freunde ohne Angst und Schuldgefühle leben können. (Hebr 3,14-15)

Das ist das kostbare Geschenk Gottes für alle, die es in Anspruch nehmen und genauso ist auch das Abendmahl als eine Einladung gedacht, über die man sich freuen darf! Eine Einladung zu einer Zeremonie, die an dieses Geschenk und die Freude darüber erinnern soll.

Brot ist ein Geschenk, was besonders die vielen Menschen wissen, die das „tägliche Brot“ (Luk 11,3) nicht bekommen. Wein ist ein Geschenk, das bei besonders festlichen Anlässen, etwa einer Hochzeit, zur allgemeinen Freude beiträgt. Auf der Hochzeit zu Kana spendierte Jesus den Gästen ein paar hundert Liter Wein (Joh 2, 6-11)

So hatte es Jesus gesagt: „er würde nicht mehr vom Gewächs des Weinstocks trinken„. Erst an dem Tag seiner Wiederkunft (Luk 22,18), wenn er und seine Gemeinde das große Wiedersehen feiern, gäbe es auch für ihn wieder Wein.

Es geht um Freude. Und die entsteht nicht, wenn ein armer Mensch bei Gott den Nachweis seiner „Würdigkeit“ abliefern muss. Auf diese Weise ist sie noch nie entstanden. Gerade weil das unmöglich ist, ist Jesus zu einem unehrlichen, allseits als „unwürdig“ betrachteten Zollbetrüger wie Zachäus hingegangen und hat sich bei ihm selbst eingeladen, um mit ihm Tischgemeinschaft zu haben. (Luk 19,5)

Jesus sah in ihm bereits das, was Zachäus werden sollte: ein Freund Gottes, dem der Heilige Geist die königliche Würde der Gotteskindschaft verleihen wollte.

Zachäus wurde dadurch gleichberechtigtes und gleichermaßen geachtetes Mitglied der von Jesus gegründeten Gemeinschaft der Heiligen, d.h. der Menschen, die „zu Gott gehören.“

Diese Würde ist „unantastbar“. Jesus darf von jedem Gläubigen erwarten, dass er die königliche Würde seines Mitchristen achtet. Das allein besagt obiger Text. Und das taten eben einige in der Gemeinde in Korinth nicht. Dort gab es wohlhabende und arme Mitglieder. Die reichen Christen brachten bei den Zusammenkünften große Fresskörbe mit, deren Inhalt sie allein verzehrten, und gaben ihren armen Mitchristen, die hungrig zusahen, nichts davon ab. Ja, einige der wohlhabenden Leute schütteten sogar soviel Wein in sich hinein, dass sie zu guter Letzt betrunken waren.

Nehmen wir an, eine bekannte fürstliche Persönlichkeit würde überfallen und ausgeraubt und käme mit zerrissenen Kleidern, hungrig und ohne Geld in die Gemeinde? Was würde man tun? Jeder würde es doch als Ehre ansehen, diesem Menschen wieder mit Kleidern, Essen und etwas Geld auszustatten, und ihm seine Würde wieder zurückgeben. Und umgekehrt würde sich jeder, der ihn wegen seines unvorteilhaften Äußeren respektlos behandelt hat, ohne zu ahnen, wen er vor sich hatte, im nach hinein schämen müssen.

Eben das erwartet Gott auch von seinen Gläubigen. Sie sollen sich bei ihren Zusammenkünften prüfen, ob sie respektlos gegen die Würde eines Mitchristen handeln und ggf. ihr Verhalten korrigieren. In diesem Punkt ist Jesus sehr streng: „Was ihr dem Geringsten meiner Brüder (und Schwestern) getan habt, das habt ihr mir getan.“  (Mt 26,40) Ebenso streng tadelt Jakobus gedankenlose Gläubige, die Reichen die besten Plätze in der Versammlung geben und Arme an der Tür stehen lassen: „es wird ein unbarmherziges Gericht ergehen über den, der nicht Barmherzigkeit getan hat. Umgekehrt ist Barmherzigkeit das beste Argument gegen die Anklage des göttlichen Gerichts.“ (Jak 2,13)

Hier ist sie wieder: Gottes Unbarmherzigkeit! Wer aber genau hinsieht, der erkennt darin seine Barmherzigkeit. Es ist doch nicht schwer, die Würde eines unansehnlichen Mitchristen zu achten. Denn damit achten wir auch unsere eigene Würde und auch wir können durch Unglück eines Tages unansehnlich werden.

 

 

 

 

 

Artikel aktualisiert am 25.04.2018

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